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Das Glücksprojekt

Das Glücksprojekt

Titel: Das Glücksprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Reinwarth
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von. Auch mit organisiertem Kennenlernen habe ich keine guten Erfahrungen gemacht: Auf einer großen Hochzeitsfeier verteilten die Brautleute Namensschilder für alle Gäste, darunter stand dann jeweils ein »lustiger« Spruch, den sie sich einfallen hatten lassen. Damit die Leute leichter miteinander ins Gespräch kämen. Unter meinem Namen stand »Miss Sex«, ich hatte nämlich kurz zuvor ein Buch mit ebendiesem Titel veröffentlicht. Fragen Sie nicht, was ich da für Leute kennengelernt habe …
    »L.? Wo finde ich neue Freunde?«, frage ich ihn und L. sieht mich verwundert an: »Wieso? Sind dir welche kaputtgegangen?« Mit Männern über Freundschaften zu sprechen, ist völlig sinnlos. Da steige ich nicht durch. Wenn L. seinen besten Freund Sven trifft, können die stundenlang einfach nichts machen. Auch wenn sie sich nur zweimal im Jahr sehen. Die mailen sich auch nicht zwischendurch oder telefonieren. Wenn ich L. frage, wie es Sven geht, ob er noch mit Laila glücklich ist, ob ihm sein Job Spaß macht, ob eigentlich seine Eltern noch leben, sieht mich L. an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Er hat nämlich den Leitsatz aller Männerfreundschaften verinnerlicht:
    Solange dein Freund nichts Gegenteiliges sagt, ist alles in Ordnung.
    L. macht sich nur Sorgen, wenn Sven anruft. Dann ist etwas passiert. Meldet er sich für einen Besuch außer der Reihe an, stellt L. schon mal das Bier kalt, denn dann muss es wirklich schlimm sein. Nicht, dass sie dann die ganze Nacht das Problem wälzen würden – Sven stellt die Sachlage dar und dann betrinken sie sich, gelegentlich wird geseufzt. Wie gesagt, ich steige da nicht durch.
    Am nächsten Tag unterhalte ich mich mit Lena, der Praktikantin, vor unserer Kaffeemaschine. »Lena, wie findet man neue Freunde?« Lena sieht mich erschrocken an. Vermutlich stellt sie mich in Gedanken gerade ihren superhippen Retro-Acid-Techno-Shakalak-Kollegen vor, aber ich kann sie da beruhigen. »Nur aus Interesse«, und sie entspannt sich etwas. »Keine Ahnung«, überlegt sie. »Vielleicht wenn man authentisch ist? Ehrlich? Und offen für andere Leute?«
    Hm – das erinnert mich an meine Zugfahrten als Kind und Jugendliche. Ich war eines von diesen Kindern, die jedes zweite Wochenende einen Elternteil in einer anderen Stadt besuchten. Nicht, dass das weiter schlimm gewesen wäre, nur die zweistündige Fahrt war manchmal langweilig. Ich unterhielt mich dann immer mit den Menschen in meinem Abteil. Anfangs machte ich mir einen Spaß daraus, irgendwelche Geschichten zu erfinden. Mal war ich eine arme Waise, dann die Tochter eines Rockstars, die am Wochenende die tourende Mutter besuchte. Ich fuhr als Hochbegabte zu einem Wettbewerb oder als Spenderin einer seltenen Blutgruppe zu den verschiedensten Krankenhäusern. Ich war außerdem Veganerin und litt unter mehreren todbringenden Krankheiten. Meine Mitfahrer hatten es auch nicht immer leicht.
    Mit der Zeit wurde mir das zu eintönig und ich entdeckte etwas viel Spannenderes: Da ich erzählen konnte, was ich wollte, konnte ich auch einfach die Wahrheit sagen! Das war wesentlich aufregender und es hatte einen erstaunlichen Effekt: Meine Gegenüber wurden auch gesprächig. Vermutlich, weil wir nach zwei Stunden wieder auseinandergingen und uns aller Voraussicht nach nie wieder sehen würden, tauschte ich in diversen Zugabteilen mit Leuten, deren Namen ich meist nicht mal kannte, Geheimnisse, Wünsche und Sorgen aus. Das war toll. Wenn man sich nun traut, so zu Leuten zu sein, die man immer wieder trifft …?
    »Du hast was?« L. sieht mich mit großen Augen an. »Habe ich mich verhört?« Nein, hat er nicht. Ich habe die Drösel zu uns nach Hause eingeladen. Während L. sich in einer Art Schockstarre befindet, zweifle ich an der Weisheit meiner Entscheidung. L. fängt sich und bohrt nach: »Die Doof-Drösel? Die Frau Hummeldumm? Die, von der du immer sagst, du bekommst Nasenkrebs, wenn du ihr Parfüm riechst?« Er hat ja recht. Ich bin mitunter in meiner Ablehnung wenig liebreizend im Ausdruck. Ich weiß auch nicht, was mich geritten hat, sie einzuladen, da muss irgendein buddhistischer Gaul mit mir durchgegangen sein. Irgendwie war ich so beschwingt von meiner Erinnerung an die Zugfahrten, dass ich dachte: Hey, wenn das mit irgendwelchen Mitreisenden ging, dann geht das mit jemand anderem auch. Und just in diesem Moment kam die Drösel zur Tür rein …
    L. drückt sich und verschwindet an diesem Abend zum Sport, ich sitze auf dem

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