Das Gluehende Grab
und reckte ihr Kinn. Sie zeigte auf eine Sofaecke neben
dem Empfangstresen. »Setzen wir uns doch. Meine Chefin kann
sich ja überlegen, ob sie persönlich für mich
einspringt oder lieber die Putzfrau
beauftragt.«
Dóra
schaute Aldas Schwester wohlwollend an. »Gute Idee. Ich
denke, wir sollten uns lieber in den Speisesaal setzen. Da ist es
ruhiger, und wir bekommen einen Kaffee.« Sie gab Bella frei,
und anschließend setzten sich die beiden Frauen ganz hinten
im Speisesaal an einen kleinen Holztisch.
»Ich
sag’s am besten gleich, ich hab mich noch nicht von der
Nachricht über Aldas Tod erholt«, erklärte
Jóhanna, als sie Platz nahm. »Wir sind zwar acht Jahre
auseinander, hatten aber ein sehr enges Verhältnis. Auch wenn
wir nicht täglich in Kontakt waren.« Sie schenkte sich
Kaffee ein und rückte die klobige Tasse sorgfältig auf
der Untertasse zurecht. »Ich glaube nicht, dass sie
Selbstmord begangen hat. Das hätte sie nie gekonnt. Es muss
ein Unfall oder Schlimmeres gewesen sein.« Sie schaute von
der Tasse {110 }auf. »Mir ist schon klar, dass das alle
Angehörigen denken, denen so was passiert, aber in diesem Fall
ist es etwas anderes. Alda war nicht der Typ, der sich
umbringt.«
Dóra
merkte, dass die Frau gar nicht wusste, warum sie hier war.
»Ich wollte nicht mit dir über Aldas Tod
sprechen.« Sie holte tief Luft. »Ich arbeite für
Markús, Leifurs jüngeren Bruder. Er ist in einer
ziemlich schwierigen Lage, wenn man so sagen kann. Im Keller seines
Elternhauses wurden drei Leichen gefunden. In diesem Zusammenhang
ist Aldas Name gefallen, und ich habe gehofft, du könntest mir
etwas erzählen, das Markús möglicherweise
hilft.« Dóra verstummte und wartete auf eine Reaktion.
Sie hätte sich nicht gewundert, wenn die Schwester sich
höflich verabschiedet hätte.
Jóhanna
schaute Dóra verwundert an. »Natürlich hab ich
davon in den Nachrichten gehört. Hier im Ort wird ziemlich
viel darüber geredet.« Sie wurde ein bisschen
nervös. »Markús soll irgendwie in die Sache
verwickelt sein, aber ich dachte, das wäre nur Klatsch, weil
nichts über ihn in der Zeitung stand. Ich hab nur gehört,
dass es sich um Briten handelt, die wahrscheinlich vor dem
Vulkanausbruch ermordet wurden.«
»Briten?«,
murmelte Dóra. »Woher weiß man das?«
Konnte ihre Vermutung über den Kabeljaukrieg
stimmen?
»Ich hab
das nicht so richtig mitverfolgt, im Moment habe ich andere Sorgen.
Ich glaube, es hat sich bei der Obduktion
herausgestellt.«
Dóra
erstarrte. Wussten die meisten Ortsbewohner etwa schon über
den Verlauf der Ermittlungen Bescheid? Am liebsten wäre sie
sofort zur Polizeiwache gerannt und hätte Guðni eine
Standpauke gehalten. »Davon habe ich noch nichts gehört,
ich weiß nicht, ob es stimmt. Die Ermittlungen der Polizei
befinden sich noch im Anfangsstadium. Ich habe nur Informationen
über die Dinge, die meinen Mandanten betreffen. Aldas Tod war
ein ziemlicher Schock für ihn. Sie wusste etwas, das seine
Unschuld hätte beweisen können.«
Jóhanna
versteifte sich auf ihrem Stuhl. Sie atmete heftig, und ihre
Pupillen weiteten sich. »Glaubst du, dass jemand sie
umgebracht hat, um sie zum Schweigen zu bringen?«, fragte sie
atemlos. »Vielleicht derselbe, der die Männer im Keller
getötet hat?«
»Darüber
sollten wir nicht spekulieren«, sagte Dóra ruhig.
»Wie gesagt, ich weiß nicht, ob Aldas Tod etwas mit dem
Fall zu tun hat. Aber ich möchte es herausfinden.« Sie
wollte nicht sagen, dass der Hintergrund des Falls
möglicherweise zu Aldas Selbstmord geführt hatte –
falls es Selbstmord war.
»Was
möchtest du wissen?«, fragte Jóhanna energisch.
»Ich helfe dir, so gut ich kann.«
»Ich
weiß, dass du mit deiner Schwester und deiner Mutter zusammen
evakuiert wurdest. Kannst du dich daran erinnern, dass
Markús und Alda auf dem Schiff miteinander gesprochen
haben?«
Jóhanna
riss die Augen auf. »Komischerweise kann ich mich an die
Überfahrt so gut erinnern, als wäre es gestern gewesen.
Ich war erst sieben Jahre alt, und diese Nacht werde ich nie
vergessen. Ich dachte die ganze Zeit, der Krieg wäre
ausgebrochen.«
»Also
hast du Alda und Markús gesehen?«, fragte Dóra
hoffnungsvoll.
»Nicht
direkt«, antwortete Jóhanna. »Meine Mutter und
Alda hatten mich beide an der Hand, und ich weiß noch, dass
ich Alda auf keinen Fall loslassen wollte, als sie weggegangen ist.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Markús bei ihr war. Sie
sind irgendwohin verschwunden, aber ich
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