Das Götter-Opfer
Das mußt du einsehen.«
»Ja, das sehe ich ein«, sagte sie, aber es klang nicht überzeugend. »Nur darf ich es nicht zulassen, daß ihr euch meinetwegen in so große Lebensgefahr begebt.«
Jetzt mußte Jane Collins lachen. »Himmel, was denkst du nur? Das sind wir gewohnt. Wir beschäftigen uns mit den Dingen, Selima. Das solltest du mittlerweile herausgefunden haben. Deshalb werden wir an deiner Seite bleiben. Ich habe mir die Begegnung mit Fatima nicht aus den Fingern gesaugt. Es ist tatsächlich damals in Ägypten passiert, als ich sehr viel über die Urgeschichte erfuhr…«
»Wenn auch, John, ich…«
»Du bleibst bei uns«, erklärte Sarah Goldwyn mit dem ihr eigenen Charme, dem niemand widerstehen konnte.
»Aber hier wollte ich doch gar nicht hin…«
»Wo dann?«
Selima überlegte, was einige Sekunden in Anspruch nahm. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Ich weiß es nicht mehr.« Es klang ehrlich. »Ich weiß es wirklich nicht. Da bin ich überfragt. Aber ich weiß jetzt, daß ich eine wahnsinnige Kraft besitze. Woher sie kommt, ist mir nicht klar. Tief in der Vergangenheit. Tief in meinem ersten Leben, obwohl ich das auch nicht so recht glaube, denn wäre es so gewesen, hätte ich mich besser wehren können und wäre kein Götter-Opfer geworden.«
Ich winkte ab. »Ich finde, es hat keinen Sinn, wenn wir uns jetzt darüber die Köpfe zerbrechen. Du hast Feinde, Selima, und auf sie sollten wir uns konzentrieren. Sie haben dich schon einmal gefunden und werden dich auch weiterhin aufspüren. Aber dann möchten wir in deiner Nähe sein, und ich möchte auch erfahren, welche Verbindung zwischen dir und Fatima besteht.«
»Das hast du selbst gesagt, John. Sie ist ein Succubus, ich bin auch einer.«
»Nein, nein, so simpel ist das nicht. Da muß es schon andere Verbindungen geben. Möglicherweise gehören sie auch zu deiner Vergangenheit. Wir müssen die Teile nur ausgraben, dann könnten wir das Rätsel lösen.«
Meine Worte schienen sie überzeugt zu haben. Zumindest brachte sie kein Gegenargument vor. Allerdings bestand sie darauf, sich nicht mehr hinzulegen.
Das konnten wir verstehen.
Sarah Goldwyn fragte: »Wie könnte es denn weitergehen, John? Im Archiv haben wir wohl nichts mehr zu tun, denn die Literatur über die Zeiten, von denen du gesprochen hast, besitze ich nicht.«
»Das ist klar. Es wäre auch ein Wunder. Die Mythenspiegel können wir jetzt außer acht lassen. Ich werde nur das Gefühl nicht los, daß man uns hier beobachtet.«
»Fatima?« fragte Jane.
»Möglich.«
»Dann kann sie sich so etwas wie unsichtbar machen?«
»Ja und nein«, sagte ich nachdenklich, wobei ich in meiner Erinnerung kramte und daran dachte, wie sich Fatima nach all den phantastisch anmutenden Erklärungen vor der Cheops-Pyramide von mir verabschiedet hatte. Es war sehr seltsam gewesen. Sie hatte sich auf dem Fleck aufgelöst. Genau an der Stelle, wo sie gestanden hatte. Da war sie eins mit der Luft geworden. Zuletzt hatte ich sie noch als ein dreidimensionales Bild gesehen, dann war sie verschwunden gewesen.
Das berichtete ich in knappen Worten und fügte hinzu: »Es kann durchaus sein, daß sie auf ihrer Wanderung den Weg nach London gefunden und mich sogar aus dieser Stadt angerufen hat.«
»Dann solltest du sie suchen!« schlug Sarah vor.
»Du wirst lachen. Genau das habe ich vor.«
»Und wo?« fragte Jane.
»Ich bezweifle, daß Fatima allzuweit von uns entfernt ist. Bleibt ihr hier im Haus, ich werde mich draußen umschauen. Möglicherweise entdecke ich nicht nur Fatima, sondern auch weitere Männer, die Selima jagen.«
»Wäre es nicht besser, wenn ich dich dabei begleite?« fragte die Detektivin.
»Laß es sein. Der Schutz ist wichtiger. Wir sollten Selima nicht ohne Aufsicht lassen.«
»Und wie wäre es, wenn du Suko Bescheid sagst?«
»Noch brennt die Hütte nicht.« Ich war da optimistisch und ging schon auf die Tür zu. »Finde ich euch unten?«
Sarah nickte, während mir Jane einen skeptischen Blick zuwarf.
Langsam stieg ich die Treppe hinab. Es war inzwischen Abend geworden, die meisten Menschen saßen beim Dinner zusammen. Hunger verspürte ich nicht. Zumindest keinen normalen, sondern eher einen Hunger, der nach Aufklärung lechzte.
Ich streifte mir die Jacke über und blieb innen vor der Haustür noch einmal stehen, um zu lauschen.
Nein, ein fremdes Geräusch war nicht zu hören. Selbst die Stimmen der drei Frauen nicht.
Vor mir lag eine lange Nacht. Sie war lang, sie war
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