Das göttliche Dutzend
die Beine in der Luft. Ein erstickender Staubniederschlag senkte sich von dem, das gerade noch als Decke durchging, und verstopfte seine Nasenlöcher.
Er blieb einen Augenblick liegen, um seinen Abscheu für Byrernst hirnlich zu ordnen, damit am Tag der Rache alles am rechten Ort war. An dem Tag, an dem er, Nabob, den ihm zustehenden Platz als Obertotengräber von Mortropolis einnahm.
Er wimmerte, als er vorsichtig an seiner pochenden Klaue leckte. Wenn es doch nur damals nicht schiefgegangen wäre.
Er konnte es immer noch nicht so richtig glauben, daß er verloren hatte. Er hatte alles für narrensicher gehalten. Es war allgemein bekannt, wie sehr Fürst d’Eibele Überfüllung haßte, und daß Höllien, nachdem es jahrhundertelang Seelen zum Quälen aufgenommen hatte, unerträglich überfüllt war. Ebenso bekannt war das zweifelhafte höllische Wahlsystem – totale Bestechung, absolute Korruption. Fürst d’Eibeles Stimme, die einzige Stimme, gehörte dem Meistbietenden. Vor Jahrhunderten hätte man sich diese Zustimmung noch einfach sichern können, indem man den dicksten Obulisack vor seine Schnauze hielt, aber heutzutage mußte man etwas mehr Fingerspitzengefühl beweisen. Es reichte nicht mal mehr, d’Eibele die freie Wahl bei den frisch verstorbenen Gefährtinnen zu lassen.
Jetzt war das Beste gerade gut genug, zum Beispiel das Angebot einer ganzen Welt, die exklusiv für Fürst d’Eibeles Privatvergnügen auf mollige 666 Grad erwärmt war.
Und Nabob hätte sie ihm geben können. Wenn er nur eine Klitzekleinigkeit mehr Zeit gehabt hätte. Und einen Haufen Beweise.
Nabob fluchte ausgiebig und schleuderte einen Aktenschrank verzweifelt quer durch den Raum, als er an den ungläubigen Spott auf Fürst d’Eibeles riesigem Gesicht zurückdachte. Ohne Beweise hatte er Fürst d’Eibele nie glaubhaft machen können, daß er, Nabob, unmittelbar für einen brutalen Heiligen Krieg verantwortlich gewesen war. Und als dann auch noch sein Plan zunichte gemacht worden war, die Temperatur im Talpen-Gebirge, tausend Fuß über NN, um mehrere hundert Grad zu erhöhen, tja, dann … Dann war endgültig alles hoffnungslos gewesen. Er hatte keine andere Wahl gehabt, als die Ewigkeit als Byrernsts Sündenbock zu verbringen, jede Minute hassend, auch sich selbst, fast so sehr wie Byrernst.
Trotzdem hatte in den finsteren Strudeln seiner Verzweiflung irgendwie ein schwacher Hoffnungsschimmer überlebt. Irgendwo mußte es einen Ausweg geben, eine Möglichkeit, das Blatt noch einmal zu wenden. Er mußte sie nur finden, dann war Byrernst im …
»Endlich soweit?« brüllte Byrernst höhnisch, als er die Tür auftrat und mit ärgerlich zuckendem Schwanz im Rahmen steckenblieb. »Wir trödeln doch wohl nicht? Sabotieren doch hoffentlich nicht mein Leistungsfähigkeitsprogramm?«
Nabob schaute vom Boden auf und knirschte mit den Zähnen. Einen kurzen Augenblick lang projizierte Wut ein glorreiches Bild auf seine Netzhaut: Er sprang auf die Hufe, wirbelte herum und versetzte Byrernst einen heftigen Tritt in die grinsende Visage. Schwarzes Blut tropfte aus seiner gebrochenen Nase, als Nabob die Fäuste ballte und mächtige Schläge auf den dicken Bauch seines Feindes niederregnen ließ. Byrernst brach stöhnend und wimmernd vor dem siegreichen Nabob zusammen.
Dann sprang die Tür auf, und ein Knochenbrechertrupp schwärmte mit hochgereckten Fäusten herein, um die lukrative Aufgabe der Rettung ihres geliebten Byrernst zu übernehmen …
»Scheiße!« brummte Nabob. Selbst in seinen Träumen konnte er nicht gewinnen. Es mußte auch anders gehen.
»An die Arbeit, Sie verfluchter Faulpelz!« schrie Byrernst mit boshaft bebenden Hörnern. »Leeren Sie den Raum, und zwar sofort!«
Nabob starrte die dreiundfünfzig Aktenschränke an und fluchte. Auf dem Korridor scharrten Hufe, und der Umriß eines riesigen Knochenbrechers versperrte dem letzten Lichtrest den Zugang zum Raum. »Oder müssen wir ein wenig nachhelfen?« fragte Byrernst höhnisch.
Da wurde Nabob klar, daß es für ihn nur zwei Möglichkeiten gab: die Arbeit zu erledigen oder die Arbeit unter furchtbaren Schmerzen zu erledigen.
Er stand achselzuckend auf, schleppte sich zum ersten Aktenschrank und öffnete ihn. Hinter ihm schallte ein gurgelndes Hungerfauchen durch den Gang. Nabob wirbelte herum, als ein fünf Fuß großes widerwärtig aufgeblähtes Wesen durch die Tür lief.
»Halt, stop! Ich sag doch, ich tu’s!« protestierte Nabob. »Ihr braucht nicht
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