Das göttliche Dutzend
will das ganze Pergament nicht umsonst so weit geschleppt haben. Machen Sie schon.«
Moloch zitterte nervös, als sich an seinen Nieren eine Schwellung bildete. »Aaaalso … Na ja, indem m-man einfach mit der Zeigekralle Einstiche vornimmt, k-kann … kann …«
»Zeigen Sie’s Ihnen, hab ich gesagt!« fauchte Byrernst. »Sie, Nabob«, knurrte er und deutete autoritär auf die hinteren Plätze. »Wie heißt Ihr neuester Einwanderer?«
»Lothar Lockenwinckler«, las Nabob vom letzten Seelen-Etikett ab. Als Moloch dies hörte, stanzte er mit der Zeigekralle hektisch eine Reihe winziger Löcher in das oberste Pergament.
»Todesursache?« verlangte Byrernst, wobei er sich bemühte, seine Aufregung zu verbergen.
»Nashorn«, antwortete Nabob.
»Was?« stieß Byrernst hervor.
»Pardon, ich meine Nashörner. Man braucht, glaube ich, sechs, um einen Vierzig-Tonnen-Zug zu ziehen, oder?«
Moloch zuckte die Achseln und fügte ein zusätzliches Loch in die zweite Zeile ein, die er gerade ausgestanzt hatte. Byrernst bellte noch eine ganze Reihe weiterer Fragen, die Lockenwincklers vorheriges Leben, sein kürzliches Ableben und seine zukünftigen ewigen Qualen in Mortropolis betrafen. Es war alles so ziemlich das Übliche. Er hatte den Kunden einer Transportgesellschaft sein Leben lang zuviel fürs Übergepäck berechnet und mußte nun für den Rest der Ewigkeit zwanzig Stunden am Tag Felsen einen unendlich hohen Hügel hinaufrollen. Vier Stunden am Tag wurden zur Bewährung ausgesetzt – das heißt, er wurde für seine Lügen in den Jauchesee ausgesetzt und mußte sich dort bewähren. Bei jeder Antwort stanzte Moloch sorgfältig ein paar Löcher in das Pergament.
Das Büro voller Dämonen schaute verwirrt zu.
»N-natürlich g-geht es viel schneller, w-wenn Sie ein b-bißchen Übung haben.« Moloch grinste, als er das gelochte Blatt hochhielt.
»Und was soll das jetzt?« Nabob kratzte sich an einem spitzen Ohr. »Ich kann es nicht lesen.«
»Aha!« rief Byrernst. »Sie vielleicht nicht. Folgen Sie mir.«
Die fünfzehn Dämonen standen auf, schüttelten den Kopf und folgten ihm. »Nabob, nehmen Sie die Pergamente mit«, rief Byrernst, als er durch die Tür ging.
»Nehmen Sie die Pergamente mit«, grummelte Nabob. »Pfui!« Es war immer dasselbe. ›Putzen Sie meine Hufe‹, ›Holen Sie mir was zu trinken‹ oder Schlimmeres. Er mußte immer die Drecksarbeit machen. Potz! Was hatte er bloß getan, das verdient zu haben? Außer die Obertotengräberwahl gegen Byrernst zu verlieren, natürlich.
Er befolgte den Befehl, aber nicht, ohne eine weitere Markierung auf seiner stetig länger werdenden Racheliste zu machen. Er kämpfte sich mit der schweren Pergamentlast durch die Tür hinter den anderen Dämonen her. Mit auf dem Marmor der Treppenstufen klappernden Hufen folgte er ihnen verwirrt durch verschiedene ihm unbekannte Korridore, bis sie endlich vor einer besonders unbedeutend aussehenden Tür stehen blieben. Mittlerweile schmerzten seine Arme vom Gewicht des Stapels Nimmerbrenn-Pergamente.
Byrernst trat die Tür mit einem enthusiastischen Huftritt auf und wies die anderen an, in die Dunkelheit einzutreten.
Wie überall in Höllien roch die Luft wie ein sechs Monate altes Mayonnaise-Ei und war mehrere hundert Grad heiß.
»Moloch, Licht!« befahl Byrernst, und mit nur wenig Ungeschicklichkeit wurde ein Dutzend Lavalampen zum Leben erweckt. »Dort …« flüsterte der Obertotengräber mit übertriebener Ehrfurcht. »Sehet: die Zukunft!«
»Wo?« fragte Nabob.
»Dort!« Byrernst zeigte auf etwas, das wie ein großer und gleichmäßig geformter Felsklumpen aussah.
»Aber es ist doch nur ein großer, gleichmäßig geformter Felsklumpen«, grunzte Nabob beim Anblick des gewaltigen Obsidianblocks. Als Belohnung dafür bekam er einen Huf in den Magen.
»Ignoranz! Deswegen sind Sie da, wo Sie jetzt sind. Zeigen Sie’s ihnen, Moloch!«
Der Dämon im Kittel zwängte sich zwischen den dichtgedrängten Bürokräften hindurch und kauerte sich auf einen geeigneten Felsen. Er ließ die Knöchel seiner Krallen ekelerregend knacken, drehte an einem runden Ventil und lächelte, als er das vertraute Wusch! des ultrahoch erhitzten Dampfes hörte, der in den Felsen strömte. In dessen Innerem bewegte sich eine ganze Reihe von Ventilen und Dampfschaltern reibungslos. Moloch öffnete ein anderes Ventil, und ein Lavastrom pulsierte ungesehen aufwärts. Nur Sekunden später schien ein rotes Leuchten durch ein Obsidianfenster. Wenn
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