Das göttliche Dutzend
Kartenständern nehmen, aus denen Sie uns dann eine möglichst günstige und glückliche Zukunft legen müssen. Diese kann aus finanziellem Glück, touristischem oder sogar Eheglück bestehen! Haben Sie verstanden? Sagen Sie: ›Ja, Luphan‹!«
Ferona nickte erneut. »Ja, Luphan. Verstanden.«
»Alles gebongt!« krakeelte das Publikum einstudiert.
»Also gut, treffen Sie Ihre Wahl, meine Liebe. Hier ist Ihre Chance, sich einen Platz an der Sonne zu erobern. Viel Glück!«
»Ich … Ich nehme die dritte aus der obersten Reihe, die zweite von links aus der dritten Reihe, und den Rest aus der vierten«, hauchte Feronas Schmollmund. In einem funkelnden Paillettenwirbel nahm die glitzernde Assistentin die bewußten Karten von der Wand und legte sie verdeckt auf den Tisch in der Mitte der Bühne.
Und dann wurde es zum ersten Mal an diesem aufregenden Tag vollkommen ruhig im Amphitheater. Alle hatten Ferona Veldmusch auf dem Weg begleitet, auf dem sie sich gegen andere vielversprechende ›Glücksstern‹-Kandidaten durchgesetzt hatte. Sie hatte bei jedem Auftritt mehr Selbstvertrauen gewonnen und immer ausgefallenere (und kürzere) Togen getragen. Ihre momentane Toga bestand wahrscheinlich nicht mal aus genug Stoff, um eine Nasenblutung zu stillen. Die Männer liebten sie wegen ihrer immer deutlicher zu Tage tretenden Qualitäten, und die Frauen bewunderten sie wegen ihres Mutes, selbige zur Schau zu stellen. Jeder wollte ihr absolut Bestes. Und das galt insbesondere für Luphan Burk.
Wie verrückt mit den Absätzen klappernd, stolperte Ferona auf die vier Karten zu, um zu sehen, was sie sich ausgesucht hatte.
»Dann wollen wir mal sehen, was auf ›Luphans Tisch‹ liegt!« kündigte der Conferencier an und drehte die erste vier Fuß hohe Karte um. Sie trug das Motiv eines riesigen Blumenstraußes. Die Leute im Saal beugten sich auf ihren Sitzen vor. Auf der zweiten Karte war eine offene Kutsche zu sehen, die von drei majestätischen Steinbockpaaren gezogen wurde. Die Menge machte anerkennend »Ooooh«.
»Und die dritte?« Luphan deckte das Bild eines einzelnen blauen Strumpfbandes auf. Die Männer im Publikum machten dazu passende obszöne Geräusche. »Und zuletzt …«
Zwei Buchstaben wurden sichtbar: ›L‹ und ›B‹. Die Leute im Tempel tuschelten aufgeregt.
»Also, Fräulein Veldmusch, ›Glücksstern‹-Siegerin, jetzt müssen Sie sich entscheiden.« Das Orchester trommelte wieder mit den Fäusten auf die Bühne, und das Licht wurde auf einen einzigen, engen Kreis konzentriert, in dessen Mitte Ferona und Luphan standen. »Wie Sie wissen, haben Sie jetzt zehn Sekunden Zeit, eine dieser Vorhersagen zu verwerfen und die anderen so anzuordnen, wie das Schicksal es Ihrer Meinung nach begünstigt. Wollen Sie das tun?«
»Ich … Ich will«, flüsterte sie. Endlich machte die Spannung auch ihr zu schaffen.
»Alles gebongt!« riefen ein paar ganz Hartgesottene, die von der Situation noch nicht vollständig gepackt waren. In zehn Sekunden würde Ferona Veldmusch über ihre Zukunft entscheiden. Die unzähligen Auftritte im vergangenen Jahr hatten alle zu diesem Augenblick geführt.
»Sind Sie bereit? Sagen Sie: ›Ja, Luphan‹!«
»Ja, Luphan.« Sie nickte nervös.
»Alles klar, die Zeit läuft, sobald das Publikum anfängt zu zählen. Viel Glück. Zehn! … Neun!«
Ferona stürzte auf den Tisch zu und blieb unentschlossen vor ihm stehen, da sie keinen blassen Schimmer hatte, was die Symbole bedeuteten.
»… Acht! … Sieben!«
Sie hob zwei Karten auf einmal auf, zögerte und legte sie wieder ab.
»… Sechs! … Fünf!«
Sie nahm mit unglücklichem Gesichtsausdruck den Blumenstrauß.
»… Vier! … Drei!« Der Countdown war ohrenbetäubend. Sie ließ die Blumen wieder fallen, schnappte sich die Kutsche.
»… Zwei!«
Sie warf die Kutsche weg und schob die anderen drei Karten wahllos hin und her.
»…Eins! … Stop!« Luphan ergriff bebend Feronas schmale Handgelenke und ließ sie wieder los, bevor seine Hände schweißnaß wurden.
»Sie haben also die offene Kutsche mit vorgespannten Steinböcken weggegeben. War das jetzt Reise- oder Eheglück? Haben Sie gerade auf das romantischste axolotische Transportmittel verzichtet, das sie – mit Ihnen als Hauptdarstellerin – zur Hochzeit des Jahres bringen sollte? Nein! Das wäre Ihr Preis gewesen: Eine dreitägige Reise um die bekannte Welt – mit Vollpension!« Das Publikum stöhnte mitleidig. Sie hatte die Chance verpaßt, den Berg nebenan und
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