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Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Fiddel. »Der Überfall heute ist für Kasso.«
    Der inzwischen farbenblinde Maler nickte begeistert. »Ich habe Thussi ein Portrait versprochen«, erklärte er grinsend und versteckte eine große Leinwand hinter seinem Rücken. »Eine frontale Ganzkörperstudie.«
    »Keine Sorge, wir besorgen dir alles, was du brauchst«, feixte Phaust. »Solange wir alle zugucken dürfen.«
    Kasso bebte bei dem Gedanken an sein erstes Aktmodell seit Jahrhunderten. Frauen dazu zu überreden, war ihm vor dem Pakt schrecklich schwergefallen. Da er unter furchtbarer Akne litt, wollte ihm aus Angst vor Ansteckung kein Modell nahekommen. Aber drei kleine Bitten an den Dämon hatten das Problem gelöst. Zumindest halbwegs. Seine Akne war zwar weg, dafür gab es hier unten nicht besonders viele Modelle. Das Bild, das er verpflichtet war, immer bei sich zu führen, war ein mit Ölfarbenpusteln übersätes Selbstportrait. »Zuschauer«, murmelte er nervös. »Ich glaube, die Entscheidung liegt bei Thussi.«
    »Hach, was für ein vornehmer Herr.« Sie grinste und klimperte mit den Wimpern. »Es ist so nett, daß ich am liebsten singen würde …«
    »Nein, nein, wir müssen jetzt los, kommt!« warf Fiddel verzweifelt ein, bevor Thussi anfangen konnte. Obwohl sie als Schauspielerin in der täglichen Matinee ›Drüber und drauf‹ ungeheuer beliebt gewesen war, hatte sie beschlossen, sich der ernsten Muse zuzuwenden und bei den beliebten Volksmutanten mitzumachen. Sie hatte sich dummerweise nur den falschen Teufel ausgesucht. Obwohl sie ihn dreimal gebeten hatte, ihrer Gesangsstimme den schönsten Klang zu verleihen, den er sich vorstellen konnte, hatte sie keine Ahnung gehabt, was dies bedeuten würde. Jetzt sang sie wie ein Laienchor liebeskranker Mausbiber.
    Die Violine fest unter den Arm geklemmt, führte Fiddel die Paktisten aus der schmalen Gasse, die gleich gegenüber dem Eingang zur Grube der glühenden Kohlen lag.
    Jeden Augenblick würden nun die gewaltigen Tore auffliegen, und eine Flut gequälter Seelen würde herausströmen, um sich auf den Weg zur nächsten Folter zu machen. Schon jetzt kamen nach und nach immer mehr Seelen auf die Straße, da der Verfluchsverkehr begann.
    Auf Fiddels Zeichen hin – er war der Anführer dieses Überfalls – quetschten sich Quack und Phaust in das Körpermeer und wanden sich so hindurch, daß sie sich zu beiden Seiten des Eingangs aufstellen konnten. Krubb, zu Lebzeiten Besitzer des einzigen Milliongroschenscheins, der je gedruckt wurde (er war ohne einen Heller verhungert, da niemand ihn hatte wechseln können), Thussi und der armselig gekleidete Ex-Prediger Ölyg der Dritte hielten vorsichtig nach Knochenbrecherkommandos Ausschau.
    Früher oder später würden sie unweigerlich kommen. Die Frage war nur, wie lange sie brauchten und aus welcher Richtung sie erschienen.
    Plötzlich öffneten sich unter Teufelsschreien und Peitschenknallen das riesige Sicherheitstor der Grube der glühenden Kohlen. Gemarterte Seelen quollen keuchend heraus. Die Hitze versengte Phausts Augenbrauen. Es war dort drin erstaunlicherweise viel heißer als im üblichen Inferno der 666 Grad, an das sie sich notgedrungen gewöhnt hatten.
    Wie aufs Stichwort zog der wie Espenlaub zitternde und auf einer kleinen Hütte stehende Fiddel den Bogen über die Saiten. Es war unverkennbar der einleitende Mißton aus Quacks ›Erotica‹. In kürzester Zeit sägte er wie wild an dem Instrument herum und bot dem Pöbel gequälter Seelen auf den Straßen unter ihm ein Sperrfeuer alarmierender Atonalität. Gebrochene Fünftel und gekreuzte Neuntel bombardierten ihre Ohren, und wie bei jeder anderen öffentlichen Aufführung des Werkes, die es je gegeben hatte, blieben alle wie vom Donner gerührt stehen. Sie standen wie angewurzelt da, wie betäubt, und versuchten zu glauben, daß es wirklich Musik war, was sie hörten. Nach wenigen Minuten war die ganze Straße mit bemitleidenswerten Seelen verstopft.
    Ohne Zeit zu verschwenden, quetschten sich Phaust und Quack mit gesenktem Kopf durch das Eingangstor zur Grube der glühenden Kohlen. Sie waren auf der Jagd. Der Boden war mit angebrannten Briketts bedeckt. Die unebene Oberfläche zeugte noch von denen, die hier acht Stunden lang vergraben gewesen waren. Die beiden Räuber nahmen Säcke von den Schultern und warfen Kohlen hinein. Zehn, fünfzehn Stück, dann wieder raus, um sich erneut durch die Menge zu quetschen.
    Fiddel war in Ekstase, die Musik hatte seinen Körper übernommen, und

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