Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
Vom Netzwerk:
ein Spiel? Lassen Sie das!«
    Er schnappte sich fauchend das Pergamentbündel und die Martertabellen und knallte die Tür hinter sich zu, um draußen Ruhe zu suchen.
    »Wie haben Sie das gemacht?« fragte Fiddel.
    »Nicht besonders gut, wie es scheint«, sagte Zorn enttäuscht. »Ich muß hier raus. Ich habe Syffel Bekehrungen versprochen, die …«
    »Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt. Er ist weg, und mir brauchen Sie nichts vorzumachen.«
    »Was denn vormachen?«
    »Den Blödsinn mit der göttlichen Mission. Wer ist dieser Syffel wirklich? Wo kommt er her?«
    Zorn deutete mit einem Finger zur Decke.
    »Sie brauchen sich nicht ständig zu verstellen, klar? Geben Sie’s nur zu, das ist auf die Dauer einfacher.«
    »Wovon sprechen Sie eigentlich?«
    »Schauen Sie mal – wir alle haben ein verteufelt schlechtes Gewissen, wenn uns erst einmal klar wird, daß man uns reingelegt hat. Und peinlich ist es einem bestimmt auch, aber wenigstens ist man nicht so einer wie der da. Wir werden nicht ganz soviel gequält.« Fiddel deutete auf die dritte Gestalt, die an der Gefängniswand hing: Das war der mit Verbrennungen und Ruß bedeckte Ohnmächtige. »Na gut, wir schleppen halt für den Rest der Ewigkeit unsere Schuld mit uns herum, aber je früher man zugibt, ein Paktist zu sein, desto bess …«
    »Ein was bitte?«
    Fiddel versuchte, näher zu ihm hinzuschwingen. Die Neugier hatte ihn gepackt. »Weswegen sind Sie hier, häh? Was war Ihr Pakt? Kommen Sie schon, mir können Sie’s ruhig sagen. Mir ist es bei all dem Gerede über Bier und Buxen jedenfalls eben nicht klar geworden. Sie waren wahrscheinlich verwirrt, desorientiert, hatten sich sozusagen höllisch erschreckt. Was war es, häh? Wollten Sie das ewige Leben? Oder der beste Liebhaber sein? Oder …«
    »Nein! Ganz bestimmt nicht. Und ich war auch nicht verwirrt. Ich bin der Mietprediger Gottfried Zorn. Ich bin Missionar! Ich bin hier, um die Frohe Botschaft zu verkünden.« Zorns Stimme hatte einen schrillen, leicht hysterischen Unterton. Er verstand einfach überhaupt nichts mehr.
    »Klar, Mann. Wenn Sie meinen«, sagte Fiddel herablassend. »Ach, eins noch. Haben Sie vielleicht was von dem Bier übrig?«
     
    Schoysal schlief nicht besonders gut.
    Da er die letzten Monate neben einem gewissen unhygienischen Abfluß unter Hölliens sternenloser Steindecke [4] gepennt hatte, wälzte er sich beim ungewohnten Lärm von Nabobs Fußbodenheizung unruhig hin und her.
    Er lag schon stundenlang so da und war nach und nach leicht eingedöst, als ein besonders lautes Rülpsen der vulkanischen Gase unmittelbar unter seinem Ohr ihn wieder hellwach machte. Es war wie das REM-Äquivalent eines fliegenden Fisches: Einmal saust man unbeschwert durch den ruhigen Ozean der Träume, im nächsten Augenblick schnappt man in der schäumenden Brandung der Realität keuchend nach Luft. Und Kiesela, die sich liebevoll an ihn schmiegte, half auch nicht gerade weiter. Ihr Atem stank nach Pyrit und Schwefel.
    Aber so sehr ihm die physischen Störungen auch auf die Nerven gingen, die geistigen waren noch viel schlimmer. Schoysal hätte auch ganz allein, in der tiefsten Stille des gemütlichsten Winkels Hölliens untergebracht sein können, er hätte sich trotzdem krampfhaft hin- und hergeworfen. Er hatte die kognitiven Uhrwerke seines Hirns so stramm aufgezogen und mit soviel mentaler Energie angetrieben, daß er sie unmöglich wieder anhalten konnte.
    Große, gehörnte Strichmännchen mit peitschenden Schwänzen tanzten und kämpften mit kleineren, bärtigen Gestalten – legten abwechselnd einen heißen Tango aufs Parkett und die Hände mit tödlichen Kampfsportgriffen um den Hals ihrer Gegner. Bündel unausgereifter Mutmaßungen krümmten sich in trüben Tümpeln undurchdringlicher Dunkelheit. Rudel wilder Vermutungen galoppierten schreiend durch Landschaften des Unverständnisses, drängten nackte Fakten in felsige Ecken und näherten sich ihnen mordlustig.
    Und über all der Verwirrung schritt würdevoll eine einzelne Gestalt in einer wehenden schwarzen Soutane, die ihrer Umgebung keinerlei Beachtung zu schenken schien. Ihre Sandalen zermalmten die kreischenden Leiber jammernder Vermutungen. Mit dem schwarzen Buch fest in der Hand köpfte sie wilde Mutmaßungen mit apostolischem Schwung, schritt unaufhaltsam immer weiter, unerbittlich, unnachgiebig …
    Schoysal jammerte kläglich. Seine Augen öffneten sich, konnten aber in der Dunkelheit nichts sehen. Kalter Schweiß brach auf

Weitere Kostenlose Bücher