Das göttliche Dutzend
machen, klar?«
Noch immer bleierne Stille.
»Na gut! Wenn du’s nicht anders willst …« Schoysal wirbelte herum, machte einen Satz quer durch Nabobs Höhle und riß eine Lavalampe von der Wand. Er knallte sie mit furchterregender Wucht auf den Obsidianschreibtisch und richtete ihr rötliches Licht auf Zorns Augen. Nun würde er endlich Antworten kriegen. Es war hinlänglich bekannt, daß ein vernünftiges Verhör erst richtig losging, wenn man das Opfer mit Licht blendete. Schoysal wußte zwar nicht, warum dieser Kunstgriff inquisitorischer Alchimie tatsächlich funktionieren sollte, aber … Na ja, jetzt hatte er es halt getan. Zeit für Ergebnisse.
»Wer hat dich geschickt?« bellte er aus unmittelbarer Nähe in Zorns Gesicht. Für den Prediger war er nur noch ein schwarzer, von Lavalampenlicht umgebener Umriß.
Er erhielt keine Antwort.
»Warum bist du hier?« Die Hitze der Lampe versengte die Schuppen auf Schoysals Nacken.
Und Zorn? Er sagte nichts.
Schoysal fauchte und kam noch näher. »Was willst du …?«
Nabob räusperte sich. »Falls ich einen Vorschlag machen darf«, unterbrach er das Verhör von dem gemütlichen Kieselsack am anderen Ende der Höhle aus.
»Nein!« brüllte Schoysal, ohne den Blick von den angsterfüllten Augen Zorns zu lösen.
»Ich glaube aber, daß er hilfreich wäre«, sagte Nabob gereizt. Das Verhör lief schon seit Stunden, doch Zorn hatte noch kein Wort von sich gegeben. Keinen Ton.
»Und, was gibt’s?«
»Also, ich will ja nicht kleinlich sein, aber … Na ja, es ist die Lampe.«
»Was ist damit?« verteidigte sich Schoysal. Vielleicht etwas zu inbrünstig. »Es funktioniert doch immer. Das perfekte Werkzeug für jede Vernehmung. Weiß doch jeder!«
»Ja, aber müßte sie ihm nicht gezielt in die Augen leuchten? Glaubst du nicht, daß dein Kopf ein Stück im Weg ist? Also, wenn du deinen Hinterkopf verhören willst, kannst du es natürlich gern tun, aber …«
Schoysal fauchte und rieb die heiße Stelle in seinem Nacken. Er fuhr wütend herum, stemmte die Fäuste ins Kreuz und ging in der Höhle auf und ab. Nabob wurde das Gefühl nicht los, daß er hören konnte, wie sich der Zahnschmelz auf Schoysals Backenzähnen abrieb.
»Na, dann«, entschied Schoysal nach einigen Minuten zähneknirschend, »fangen wir eben wieder von vorn an. Du da! Wer hat dich geschickt?«
Das gleißende Leuchten der Lavalampe strahlte auf Zorns verängstigtes Gesicht, schien seine Haut zu durchbohren, seine Augäpfel zu kochen und seine Nasenhaare zu verschmoren. Zorn schluckte und …
Stille.
Ein winziger Lichtschein glitzerte auf Schoysals schuppiger Stirn und blinkte im Rhythmus des wütenden Pochens einer Arterie. Ein Morsekode donnernder Rage.
»Warum bist du hier?« brüllte er.
Der Schweiß auf Zorns Stirn verdampfte zischend.
»Ähhh …« unterbrach Nabob.
»Was ist denn jetzt schon wieder? Siehst du nicht, daß ich beschäftigt bin?«
»Es liegt mir zwar fern, dich zu kritisieren«, sagte Nabob, »aber findest du nicht, daß du langsam seinen Knebel rausnehmen solltest?«
Zwischen Schoysals Backenzähnen stieben Funken, als er sich bemühte, den rasenden Wutausbruch unter Kontrolle zu bekommen. Er machte einen Satz über den Tisch, riß den notdürftigen Knebel aus Zorns Mund und warf Nabobs nun feuchte Unterhose angeekelt von sich.
Für Zorn war es, als zeige eine Drei-Wochen-Ration verbaler Abführmittel endlich vernichtende Wirkung. Ein flutartiger Wortschwall zerstückelter Predigten strömte über seine Lippen. Konsonanten und Vokale drohten im tosenden Wildwasser seiner Worte unterzugehen. Nach drei Minuten ohne Atempause hatte er sich völlig verausgabt.
»Entschuldigung«, sagte Nabob. »Ich habe nicht alles mitbekommen. Könnten Sie es noch mal sagen?«
Zorn röchelte erbärmlich.
»Warum bist du hier?« keifte Schoysal noch einmal.
»Ach, gib’s auf«, fuhr Nabob ihn an. »Es ist doch ganz egal, warum er hier ist und wer ihn geschickt hat. Ich will nur wissen, was ich aus den Blättern auf dem Tisch herausholen kann.« Er stand kieselknirschend auf und zeigte mit krummer Kralle auf das beschlagene Bündel geheimer Dokumente.
»So weit war ich noch nicht«, zischte Schoysal und stampfte launisch mit dem Huf auf. »So was muß man in der richtigen Reihenfolge machen. Man fängt ein Verhör nicht mit der Sache an, die einen am meisten interessiert. Man muß langsam drauf hinarbeiten, die Leute ans Antworten gewöhnen und sie mit widersprüchlichen
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