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Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Titel: Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
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Kram?“
    Sie zuckte mit den Schultern und sah auf das Buch hinunter. „Vielleicht hab ich schon mal davon gehört.“
    „Er hat sie entführt“, sagte James, und seine Stimme klang so tief, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. „Sie hat auf einer Wiese gespielt, und er hat sie mit sich in die Unterwelt gezerrt, um sie zu seiner Frau zu machen. Sie hat sich geweigert zu essen. Und während ihre Mutter Demeter den König der Götter – Zeus – um Hilfe anflehte, wurde es kalt auf der Erde. Letztendlichzwang Zeus den Herrn der Unterwelt, Persephone freizugeben. Doch bis es so weit war, hatte sie bereits ein paar Samenkörner gegessen, und Hades bestand darauf, das würde bedeuten, dass sie die Hälfte des Jahres mit ihm verbringen müsste. Und so kommt jedes Mal, wenn sie als seine Frau bei ihm ist, der Winter. Mit diesem Mythos haben sich die Griechen die Jahreszeiten erklärt.“
    Es fühlte sich an, als wäre die Temperatur um zehn Grad gefallen. Ein grauenvoller Gedanke schoss mir durch den Kopf, und ich starrte James an, während ich versuchte zu verstehen. Konnte es auch nur im Entferntesten sein, dass mein Deal mit Henry etwas Derartiges bedeutete?
    Ava dagegen stieß einen abfälligen Laut aus. „Er war also einsam. Das macht ihn noch nicht zum Verbrecher – du weißt doch gar nicht, ob sie vielleicht mit ihm da runtergehen wollte . Könnte schließlich sein.“
    Ich ignorierte sie und sah James an. „Glaubst du, Henry wird dasselbe mit mir probieren?“
    „Das ist lächerlich“, warf Ava ein und verdrehte die Augen. „Hätte er dich entführen wollen, hätte er’s schon längst getan, oder? Ist ja nicht so, als hätte er keine Gelegenheit dazu gehabt, als wir im Wald waren.“
    „Ich weiß nicht“, sagte James. „Möglich wär’s. Vielleicht wartet er auf die Tagundnachtgleiche, um es zu tun. Das sind nur noch ein paar Wochen, Ende September.“ Er starrte mich an, die blauen Augen so weit aufgerissen, dass ich mich fragte, ob sie ihm gleich aus dem Kopf fallen würden. „Was ist, wenn er von dir verlangt, den Winter über bei ihm zu bleiben?“
    „Er kann ja wohl kaum erwarten, dass ich alles stehen und liegen lasse und mal eben für ein Weilchen bei ihm einziehe“, entgegnete ich unsicher. „Oder für immer.“
    „Vielleicht fragt er dich gar nicht nach deiner Meinung“, warnte James. „Was dann?“
    Zwischen uns dreien herrschte eine Weile Schweigen, das nur von den Hintergrundgeräuschen in der Cafeteria durchbrochen wurde. Schließlich straffte ich die Schultern und sagte so überzeu-gend,wie ich konnte: „Dann mach ich ihn fertig, und die Polizei sperrt ihn ein. Ende der Geschichte.“
    Mit einem Knall schlug James das Buch zu, und ich zuckte zusammen.
    „Mag sein“, stieß er hervor. „Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass du dich bereit erklärt hast, einen völlig Fremden zu heiraten.“

5. KAPITEL
    TAGUNDNACHTGLEICHE
    Für die kommenden zwei Wochen blieb mir genau eine Mög-lichkeit: den Deal vergessen, den ich gemacht hatte, das Ganze als lächerlich abschreiben und mit meinem Leben weitermachen. Selbst wenn ich eine andere Wahl gehabt hätte – der Gesundheitszustand meiner Mutter sorgte dafür, dass all meine Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war.
    Doch James und Ava wollten es mich nicht vergessen lassen. Jeden Tag, den die Tagundnachtgleiche näher rückte, stritten sie sich leise am Esstisch. Manchmal schienen sie meine Anwesenheit fast zu vergessen. James schien entschlossen, mir die ganze Sache auszureden. Immer wieder wies er mich darauf hin, wie wenig ich über Henry wusste und dass der ja wohl nicht alle Tassen im Schrank haben konnte, überhaupt daran zu denken, mir anzubieten, die Hälfte meines Lebens mit ihm zu verbringen. Doch für jeden Fehler, den James an der Vereinbarung fand, hatte Ava ein Gegenargument. Sie verteidigte Henry unermüdlich, und es war nicht schwer zu erkennen, warum. Wäre Henry nicht gewesen, wäre sie tot. Natürlich verspürte sie eine gewisse Loyalität ihm gegenüber.
    Sie zerpflückten den Mythos, bedienten sich beide großzügig daran, um ihren Argumenten Nachdruck zu verleihen. Ständig musste ich wiederholen, was genau Henry gesagt hatte, aber die Informationen, die ich ihnen geben konnte, waren begrenzt. Ich fühlte mich unbehaglich und zählte die Tage bis zur Tagundnachtgleiche, war aber größtenteils mit meiner Mutter beschäftigt. Die Albträume hörten nicht auf, ließen mir Nacht für Nacht nur

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