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Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Titel: Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
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der Büchse der Pandora entflohen waren, doch es gab noch Hunderte weiterer Geschichten. König Midas, unter dessen Berührung sich alles, selbst seine Tochter, in Gold verwandelt hatte. Prometheus, der Feuer von den Göttern gestohlen und es den Menschen gegeben hatte und dafür bestraft worden war. Ikarus, der seinem Gefängnis fliegend entkommen und dann so hoch geflogen war, dass das Wachs schmolz, das seine Flügel zusammenhielt. Heras Eifersucht, Aphrodites Schönheit, Ares’ Wut – es ging unendlich weiter, und ich vertiefte mich sosehr darin, dass sich langsam alles vermischte. Aber ich musste bestehen.
    „Du überanstrengst dich.“
    Ich zuckte zusammen, als ich Henrys Stimme hinter mir hörte. Es war Sonntagabend, weniger als zwölf Stunden vor meiner Prü-fung, und ich musste immer noch ein paar schwierige Kapitel wiederholen. Wenn ich nicht jede Minute nutzte, die mir blieb – und am nächsten Morgen das Frühstück ausfallen ließ –, würde ich es nicht schaffen.
    „Mir geht’s gut“, murmelte ich und warf ihm nur einen kurzen Blick zu, bevor ich wieder in den dicken Wälzer sah, den Irene mir gegeben hatte. Ich versuchte gerade, die Geschichte über den Minotaurus noch einmal zu lesen, aber die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen. In meinem Kopf hatte sich ein dumpfes Hämmern eingenistet, und mir war speiübel, aber ich musste das hier zu Ende bringen.
    „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich dich für eine von den Toten halten“, erklärte Henry dicht an meinem Ohr. Ich schloss die Augen, wagte nicht, mich zu rühren. Nicht wenn er mir so nah war. Ich spürte die Hitze, die von seinem Körper ausstrahlte, viel wärmer als die kühle Luft in meinem Zimmer, und das Verlangen, den Abstand zwischen uns zu überbrücken, war überwältigend. Ich erschauerte. Normalerweise, wenn ich nicht so müde war, konnte ich das besser ignorieren. Ich war wegen meiner Mutter hier, nicht wegen Henry.
    Doch statt Henrys Berührung zu spüren, hörte ich Seiten rascheln. Als ich die Augen öffnete, war das Buch zugeklappt und beiseitegeschoben, und Henry saß mir gegenüber.
    „Was du jetzt noch nicht weißt, wirst du nicht mehr rechtzeitig für deine Prüfung lernen.“ Sein Ton war sanft. „Du musst schlafen.“
    „Ich kann nicht“, sagte ich verzweifelt. „Ich muss bestehen.“
    „Du wirst bestehen, das verspreche ich.“
    Ich sank in mir zusammen.
    „Kannst du jetzt auch noch in die Zukunft blicken oder was?Wie willst du mir das versprechen? Nach allem, was du weißt, kann ich genauso gut so grandios durchrasseln, dass sie mich nach der Hälfte der Zeit abholen und wegbringen. Vielleicht siehst du mich nie wieder.“
    Er schmunzelte, und mir entfuhr ein entrüsteter Laut.
    „Ich habe noch nie jemanden so intensiv für eine Prüfung lernen sehen wie dich an diesem Wochenende. Wenn du nicht bestehst, brauchen wir anderen es gar nicht erst zu versuchen.“
    Bevor ich ihm genau auseinandersetzen konnte, wie viel Pech ich bei so etwas immer hatte, flog die Tür zu meinem Zimmer auf. Ava kam hereingestürzt, gefolgt von Calliope und einem Mann, den ich nicht kannte.
    „Kate!“, rief sie und kam auf mich zugehüpft. Ich warf Henry einen entschuldigenden Blick zu, doch ihm schien es nichts auszumachen. Stattdessen beobachtete er den Mann, der eine schwarze Uniform trug und auf den Boden starrte, als wollte er überall lieber sein als hier.
    „Ava, ich muss lernen“, setzte ich an, doch das bremste sie kein bisschen.
    „Komm schon, du hast das ganze Wochenende über gebüffelt. Irgendwann musst du auch mal Spaß haben.“ Sie machte einen Schmollmund. „Alle sind draußen im Garten und amüsieren sich. Es gibt Musik und man kann schwimmen und lauter tolle Sachen machen. Denk dran, ich muss es dir immer noch beibringen, das Schwimmen.“
    Die Aussicht, zum Schwimmen gezwungen zu werden, reichte schon, um mir jegliche Lust an der Idee auszutreiben. Davon abgesehen war ich mir nicht einmal sicher, ob ich es überhaupt nach unten schaffen würde, geschweige denn mich zu amüsieren. Allein die Tatsache, dass es eine Party war, garantierte, dass ich das nicht tun würde.
    „Ich bin wirklich müde“, wich ich aus und blickte zwischen Ava und Calliope hin und her, die zögernd an der Tür stand und Henry betrachtete.
    „Na und? Schlafen kannst du später“, überging Ava meinenEinwand. „Du bist schlau, du bestehst schon. Außerdem musst du unbedingt Theo kennenlernen …“
    „Ihr zwei

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