Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
Schecken vor dem Wagen, und auch der Mann auf dem Bock war ihr bekannt. Ian Coltrane, der Sohn des Viehhändlers.
»Nanu, wen haben wir denn da?« Ian grinste zu ihr hinunter. »Wenn das nicht die kleine Kathleen O’Donnell ist? Wohin des Weges, Süße?«
Kathleen zwang sich zurückzulächeln. Ian Coltrane war ein hübscher Bursche, ein dunkler Kerl mit blitzenden Augen. Er sah Michael sogar ein bisschen ähnlich, nur dass seine Augen schwarz waren wie Kohle. Die Leute munkelten denn auch, die Coltranes hätten Tinkerblut.
Ian sah nicht nur aus wie ein Zigeuner, er verhielt sich auch so. Während Patrick Coltrane, sein Vater, mit Schafen und Rindern handelte, hatte sich Ian auf den Pferdehandel spezialisiert. Er musste damit recht guten Profit machen, denn seine karierte Jacke war nicht nur halbwegs neu, sondern auch warm und wattiert, seineHosen waren aus Leder und seine Stiefel fest und robust. Kathleen betrachtete sie fast neidvoll. Ihre eigenen Schuhe waren verschlissen und nicht warm genug, ihre Füße fühlten sich jetzt schon wie Eisklumpen an.
»Nach … nach Wicklow …«, antwortete sie. »Ich … ich will eine Tante besuchen. Sie ist erkrankt …«
Ian grinste. »Und da hat dich deine Mutter mit ein bisschen Brot und Whiskey hingeschickt, ja? Und mit einem wollenen Umhang?«, bemerkte er mit Blick auf Kathleens leere Hände und ihre für eine solche Reise im Winter viel zu dünne Kleidung.
Kathleen errötete. Natürlich, daran hätte sie denken müssen! Die O’Donnells waren zwar arm, aber eine Kleinigkeit hätte ihre Mutter sicherlich irgenwoher organisiert und irgendein Mantel hätte sich dennoch finden lassen, um das Mädchen besser auszustatten in der Kälte; für einen Besuch in der Stadt hätte Kathleen auch ihr Sonntagskleid getragen.
»Wir … wir haben nichts zu verschenken«, erklärte sie kurz. »Es geht mehr um … um seelischen Beistand …«
Ian lachte. »Den könnt ich auch gebrauchen!«, neckte er sie. »Also wenn du mir ein bisschen davon geben magst – neben mir ist noch ein Platz frei.« Er klopfte auf den Bock.
Auf dem zweirädrigen Karren war auch hinten eine Sitzbank, die Kathleen weitaus lieber eingenommen hätte. Aber da lag Sattelzeug und Geschirr herum, und in ihrer misslichen Lage konnte sie nicht wählerisch sein. Sie kletterte also auf den Bock und nahm neben Ian Platz. Der ließ die Schecken daraufhin wieder antraben. Hinter dem Wagen her liefen noch zwei weitere Pferde und ein Maultier.
»Und … und du?«, fragte Kathleen, obwohl es sie nicht im Geringsten interessierte. »Wo willst du hin?«
Ian hob die Brauen. »Wonach sieht’s denn aus? Meinst du, ich fahre die Gäule spazieren? Pferdemarkt in Wicklow. Morgen früh auf dem Platz am Kai. Ich hoff, dass ich die drei da zu Geld mach …«
Kathleen warf einen Blick auf die Pferde. Eines davon kannte sie.
»Der Rappe ist aber nicht mehr jung«, merkte sie an.
Das Pferd hatte schon den Karren des Schusters gezogen, als Kathleen ein kleines Mädchen gewesen war. Oder täuschte sie sich doch? War das Pferd des Schusters nicht schon ergraut um die Augen herum? Und hatte es nicht einen Satteldruck auf seinem Rücken, der weiß verfärbt war? Der Rappe hinter dem Karren war schwarz und glänzte.
»Der? Der ist sechs Jahre alt und keinen Tag mehr!« Ian tat beleidigt. »Guck dir die Zähne an, wenn du mir nicht glaubst!«
Kathleen zuckte die Achseln. Die Zähne hätten ihr nichts gesagt, aber sie hätte schwören mögen, dass sie diesem Pferd als kleines Mädchen Löwenzahn gepflückt hatte, wenn es vor der Schusterwerkstatt auf seinen Herrn wartete. Zu besseren Zeiten, als die Menschen das Unkraut am Weg noch nicht selbst zu Suppen verkochten. Das Pferd hatte eine Art gezwirbelten Schnurrbart über den Nüstern. Kathleen hatte das vorher nie bei einem anderen Tier gesehen, und der Schuster musste das auch als Besonderheit empfunden haben, sonst hätte er das Pferd nicht Blackbeard getauft. Aber Kathleen wollte nicht streiten, dazu war sie viel zu froh über die Mitfahrgelegenheit. Die Schecken vor dem Wagen trabten munter dahin. Sicher brauchten sie kaum mehr als eine oder zwei Stunden nach Wicklow.
Kathleen versuchte also, das Gespräch von den Pferden ab und auf unverfängliche Themen zu bringen. Sie fragte nach Ians Vater, dessen Geschäfte nach Auskunft seines Sohnes eher schlecht gingen.
»Hat doch keiner Geld im Moment«, meinte der Junge wegwerfend.
Ian mochte um die zwanzig Jahre alt sein. Etwas älter
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