Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
gezecht.
Michael schöpfte etwas Hoffnung, als Chris auch am Abend noch am Leben war. Er hatte ein schlechtes Gewissen gegenüber Lizzie, aber sie würde sich denken können, dass ihn etwas Wichtiges aufhielt. Michael hätte sie gern bei sich gehabt, doch nur, weil er nicht gleich nachkam, würde sie sicher nicht umkehren. Lizzie würde Gold waschen und auf ihn warten – zumindest einige Tage lang.
Gegen Abend fand sich ein Besucher im Krankenhaus ein, mit dem Michael nicht gerechnet hatte. Tom Winslow, völlig betrunken und offensichtlich zutiefst aufgewühlt, betrachtete fassungslos Chris’ reglose Gestalt auf dem Bett, brach dann in Tränen aus und überreichte Michael ein Päckchen.
»Hier … hier …«, schluchzte er. »Es ist fertig … Vielleicht freut er sich ja, wenn er … wenn er aufwacht. Oh, was für eine Schande, eine Schande, so ein junger Mann …«
Michael runzelte die Stirn, wandte den Blick ab und machte sich an dem Päckchen zu schaffen. Er war verwundert und peinlich berührt. Winslows Ausbruch war ihm ein Rätsel. Natürlich hatte der Mann Chris gefunden, und es mochte ihn mitgenommen haben. Aber solche Tränenfluten … Allerdings war Winslow einer der Letzten gewesen, die seinen Partner vor der Schlägerei gesehen hatten. Auch Chris hatte sein Bier bei Will getrunken.
Michael öffnete das Päckchen und zog ein winziges Schmuckstück heraus. »Der Anhänger für Lizzie … Chris hat ihn gestern bei Ihnen in Auftrag gegeben?«
Tom Winslow nickte.
Michael ließ das Ding an der Kette baumeln und bewunderte die Arbeit.
»Er ist sehr schön geworden«, lobte er hilflos. »Und danke für die schnelle Erledigung.« Michael suchte nach seiner Börse. »Was schulden wir Ihnen?«
Winslow wich zurück, als könnte das Geld ihn verbrennen.
»Nichts … nein, natürlich nichts! Das … das hab ich doch gern gemacht … Sagen Sie … sagen Sie seiner Liebsten, es … es tut mir sehr leid …«
Winslow entfernte sich schluchzend, und Michael blieb kopfschüttelnd zurück. Vielleicht sollte er mit dem Reverend darüber reden. Winslow hatte sich offensichtlich das Gehirn weggesoffen. Aber dagegen half auch kein Seelsorger.
Michael wandte sich Chris wieder zu. Er benetzte die Lippen des Kranken mit Wasser – Chris wollte oder konnte nicht schlucken, aber sein Mund war trocken, und er musste die Fürsorge spüren, auch wenn er nicht reagierte. Michael versuchte, sich an alte Geschichten zu erinnern, die er seinem Partner erzählen konnte. Der Arzt hatte Recht, sicher verstand er ihn und seine Stimme hielt ihn am Leben. Während die Nacht verstrich, sprach Michael von Chris’Frau Ann, von ihren gemeinsamen Kindern – er wiederholte alles, was sein Partner ihm in der Zeit erzählt hatte, in der sie zusammen Gold gewaschen hatten. Am Morgen konnte Michael kaum noch die Augen offen halten, aber Chris war immer noch nicht tot.
»Sie sollten etwas essen gehen«, meinte der Arzt, der die Krankenstation gegen neun Uhr öffnete. »Und selbst etwas schlafen. Ich bin jetzt schließlich da, und der Reverend wird auch gleich kommen.«
Michael sah ihn mit rotgeränderten Augen an. »Gibt es denn eine Verbesserung?«, fragte er.
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Nicht, soweit ich sehe. Ich glaube, dass Ihr Freund im Koma liegt, Mr. Drury. Und ich fürchte, er wacht nicht mehr auf. Aber sicher kann das niemand wissen, also geben Sie die Hoffnung nicht auf. Sie sollten dabei nur nicht auch noch krank werden. Verziehen Sie sich irgendwohin und schlafen Sie sich aus.«
Michael verließ Chris’ Lager nur widerwillig – aber letztlich trieb ihn doch der Hunger in eine Teestube, die ein früheres Freudenmädchen, jetzt verheiratet mit einem Goldgräber, kurz zuvor eröffnet hatte. Die junge Frau, Barbara, servierte ein Frühstück und fragte nach Chris’ Befinden.
»Haben Sie denn gar keine Idee, wer es gewesen sein kann?«, fragte sie und stellte ein gewaltiges Omelett vor Michael auf den sauber geschrubbten Tisch. »Der Officer hat ja Nachforschungen angestellt. Aber vielleicht sollten Sie auch selbst ein bisschen rumfragen?«
Michael überlegte. Im Grunde hatte die Frau Recht, ihm würden die Goldgräber eher etwas sagen als dem Fremden aus Dunedin. Die meisten Männer auf den Goldfeldern hatten eine ähnliche Vergangenheit wie Michael, Polizisten trauten sie nicht.
»Ich denke, ich fang in der Bank an«, meinte Michael. »Wäre doch interessant, herauszufinden, wer als Erster von Chris’ angeblichem
Weitere Kostenlose Bücher