Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
Ian.
Coltrane lachte. »Ich wart auf dich!«
Kathleen schlich sich bei Morgengrauen aus dem Haus, als sie meinte, Ians Wagen durchs Dorf fahren zu hören. Der zweirädrige Karren, an den diesmal zwei Esel gebunden waren, wartete tatsächlich am Ortseingang.
»Hast ja nicht lange überlegen müssen!«, neckte Ian, als Kathleen auf den Bock kletterte. »Aber ich kann’s verstehen, dass einer gern Schiffe absegeln sieht … und noch schöner wär’s, mitzusegeln …«
Seine schwarzen Augen nahmen einen träumerischen Ausdruck an. Er wirkte dabei viel jünger, kindlich und ehrlich.
Kathleen achtete nicht darauf. »Brauchst nur drei Säcke Korn bei Trevallion mitzunehmen«, meinte sie patzig. »Schon hast du deine Gratispassage.«
Ian lachte. Dann begann er, vom Pferdemarkt in Wicklow zu reden. Jetzt, im Frühjahr, kauften die Leute Arbeitstiere, und er erhoffte sich für die Esel einen guten Preis. Das erzählte er zumindest Kathleen. Das Mädchen warf einen flüchtigen Blick auf die Tiere und meinte, in einem davon den Esel des Gärtners zu erkennen. In der letzten Zeit hatte der alte O’Rearke ständig über dasTier geschimpft, es sei alt und es ginge lahm. Jetzt wirkte es aber ganz munter und zog auch kein Bein nach. Ian Coltrane schien ein Händchen dafür zu haben, seine Ware zu verjüngen …
Er lachte schallend, als Kathleen dazu eine Bemerkung machte.
»Ja, so kann man’s nennen!«, bemerkte er und begann dann schamlos, mit seinen Erfolgen zu prahlen.
Kathleen hörte nicht zu. Sie hatte keine Lust, sich zu unterhalten, ihre Gedanken waren allein bei Michael, und sie hütete den Brief, den Father O’Brien ihr am Tag zuvor gegeben hatte, wie einen Schatz.
»Ich sollt’s ja nicht unterstützen«, hatte der alte Priester fast bedauernd gesagt, als er Kathleen nach der Messe zurückhielt. »Mein Amtsbruder, über den das hier weitergeleitet wurde, riet mir, es wegzuwerfen. Aber ich hab wohl ein zu weiches Herz …«
Damit drückte er dem Mädchen den Brief in die Hand, verstohlen und rasch, sodass ihre Eltern sicher nichts davon bemerkten. Kathleen hatte das Schreiben stundenlang mit sich herumgetragen, bis sie endlich allein war. Es musste von Michael sein, und sie wollte Ruhe und Zeit haben, seine Abschiedsworte zu lesen. Sie wärmten dann auch ihr Herz. Michael hatte sie nicht vergessen! Er würde zurückkommen. Und sicher wäre es ihm ein Trost, sie in der Menge zu sehen, wenn sein Schiff absegelte. Michaels Brief gab den letzten Ausschlag, Ians Angebot anzunehmen.
Ian setzte Kathleen am Kai ab, bevor er mit seinen Eseln weiterfuhr. Auf dem Rückweg wollte er sie wieder abholen.
»Verzeihung, Sir, welches ist das Schiff nach London?« Kathleen wandte sich schüchtern an einen der Seeleute, die eben einen Kutter entluden. Der Mann grinste sie an.
»Das Gefängnisschiff?«, fragte er vielsagend. »Kannste nicht verfehlen, Mädchen, siehste da, wo all die Leute stehen? Die hoffen auch, noch ’n Blick auf die Galgenvögel für Van-Diemens-Land zu werfen. Ist’s dein Bruder oder dein Liebster, Herzchen?«
Der Matrose ließ seinen Blick anzüglich über Kathleens Figur wandern.
»Oh, gar der Gatte!«, grinste er. »Tja … von dem wirste nicht mehr viel haben in diesem Leben. Aber falls du ’n Neuen suchst … an dir hätt ich wohl Freude, Süße! So’n hübsches Ding, da nimmt man den Braten im Ofen glatt in Kauf …« Er fasste nach ihrem Arm.
Kathleen riss sich los und rannte in die angegebene Richtung. Tatsächlich warteten hier schon um die fünfzig Menschen, unter ihnen Grainné Rafferty. Als Kathleen sich zu ihr gesellen wollte, spuckte sie vor ihr aus.
»Da schau, die Hure, die meinen Billy ins Unglück gerissen hat!«, kreischte sie. »Die feine ›Mary Kathleen‹, die den Verwalter haben konnte, aber den letzten Gauner in ihr Bett nahm. Trevallion will dich jetzt wohl nicht mehr, was? Dich sollten sie wegschicken, nicht meinen Billy, der sein Lebtag lang nichts Böses getan hat!«
Grainné schimpfte und heulte, während die umstehenden Leute Kathleen eher mitleidig betrachteten. Schließlich gelang es ihr, sich von der alten Köchin zu entfernen – ohne zu erfahren, wo Grainné und ihre Familie jetzt lebten und wie es ihnen erging.
Inzwischen war es hell geworden, aber es war kein strahlender Frühlingstag, sondern ein regnerischer grauer Morgen. Kathleen fror in ihrem dünnen Umstandskleid. Es hatte ihrer Mutter gehört und sie durch alle fünf Schwangerschaften begleitet.
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