Das Gold des Bischofs
wenn er wusste, dass das Frösteln, das durch seinen Körper kroch, nur wenig mit der Kälte in der Kirche zu tun hatte.
Er war kein Arzt, aber er hatte genug Tote gesehen, um eine Todesart von der anderen unterscheiden zu können. Und in diesem Falle war die Todesursache ganz offensichtlich: Jarveaux war nicht an einer Auster erstickt, während er gerade die Mitglieder seines Haushaltes über die Vorzüge von Dung belehrt hatte. Er war vergiftet worden!
Sobald das Tageslicht verblasste, brach rasch die Nacht herein und setzte diesem Wintertag ein frühes Ende. Die schweren, graubraunen Wolken und die wirbelnden Schneeflocken verringerten erheblich die Sicht, und Geoffrey erkannte, dass er die Kirche nicht so schnell verlassen würde, um in Eleanors warmer, gemütlicher Stube Zuflucht zu finden. Er blickte gen Himmel und hoffte, der Schneefall würde bald nachlassen, damit er aufbrechen konnte.
Er kehrte zu seiner Säule zurück und setzte sich in der zunehmenden Dunkelheit nieder, um zuzusehen, wie die Talgkerzen mit ihrem flackernden Licht matte goldene Inseln in der Finsternis schufen. Trotz der Kälte wurde er immer müder und war kurz vor dem Einschlafen, als ein plötzliches Geräusch ihn hochschrecken lieÃ. Der Hund knurrte wieder, und Geoffrey hatte den Dolch gezogen, noch bevor er sich dessen bewusst war. Er erhob sich und verbarg sich in den Schatten.
Aber die klappernden Schritte, die flott durch das Kirchenschiff hallten, gehörten zu dem Priester, der zurückgekommen war, um die Kirche für die Nacht zu verschlieÃen. Er erschrak, als er unvermittelt einen Ritter in seinem Reich vorfand. Hastig wandte er sich zur Flucht und stolperte dabei. Geoffrey erwischte ihn am Arm und bewahrte ihn vor einem Sturz.
»Lasst mich in Ruhe!«, kreischte der Geistliche und wand sich in Geoffreys Griff. »Ich habe nichts, was ich Euch geben könnte! Seht selbst â das ist eine arme Kirche. Sogar unsere Reliquie ist verschwunden.«
Geoffrey musterte ihn. Es war ein dünner Mann mit pickliger, fettiger Haut und einem blassen Gesicht, was beides auf schlechte Ernährung hindeutete. Auch seine Kleidung bezeugte, dass er nicht viel besaÃ: Nicht nur waren seine Stiefel so durchlöchert, dass Geoffrey sich unwillkürlich fragte, ob er barfuà nicht besser dran wäre, sondern auch der Mantel über der fadenscheinigen Kutte war durchgescheuert und mit Flicken übersät. Dieser Mann war genau das, was er zu sein schien â ein verarmter Priester, der sich mühsam mit dem durchschlug, was die Beerdigung der Toten und eine gelegentliche Heirat oder Taufe unter seinen Gemeindegliedern einbrachte. Stanstede und Jarveaux waren beide wohlhabende Männer gewesen, und wenn deren Witwen sich groÃzügig zeigten und Messen für die Seelen der Verstorbenen bezahlten, musste das für diesen Geistlichen eine unvorhergesehene, aber willkommene Segnung in diesem Winter sein.
»Ich will Euch nichts tun«, sagte Geoffrey sanft, lieà den Arm des Priesters los und steckte den Dolch wieder fort. »Ich bin nur hier, um Meister Stanstede meine Aufwartung zu machen. Ich wohne im Haus seiner Witwe.«
»Oh, Ihr seid das«, erwiderte der Priester und wirkte erleichtert, als er Geoffrey im Kerzenlicht erkannte. »Sir Rogers Freund. Ich habe Euch heute hier beten sehen. Ich bin Bruder Eilaf.«
»Was meintet Ihr damit, dass selbst Eure Reliquie verschwunden sei?«, fragte Geoffrey neugierig.
»Bruder Wulfkill starb, als er sie zu beschützen suchte. Zumindest glauben wir, dass es so gewesen ist. Sein Leichnam wurde, von einem Pfeil durchbohrt, am selben Morgen aufgefunden, an dem die Reliquie verschwunden ist.«
»Ich habe von einer gestohlenen Reliquie gehört«, sinnierte Geoffrey und hatte Schwierigkeiten, dem Wortschwall des Priesters zu folgen. Er deutete auf die Nische im Altar. »Lag sie dort?«
Eilaf nickte. »Vor vier Jahren lieà uns Bischof Flambard die Knochen des heiligen Balthere zukommen, damit wir Sachsen unseren eigenen Heiligen haben, nachdem sich die Abtei schon alle anderen gesichert hatte. Balthere war ein Eremit, und um seinen Schrein herum waren oft Wunder zu beobachten. Er ist vielleicht kein Cuthbert, aber wir liebten ihn.«
»Mein Sergeant behauptete, dass die Abtei etwas mit dem Diebstahl zu tun hatte.«
»Prior Turgot streitet das ab, aber meine Gemeindemitglieder sind
Weitere Kostenlose Bücher