Das Gold des Bischofs
sich unschwer erkennen, dass hier die Leichen von Jarveaux und Stanstede aufgebahrt lagen und auf besseres Wetter warteten, damit man sie auf dem Friedhof zur Ruhe betten konnte. Geoffrey erinnerte sich, dass man Stanstede zur Kirche von St. Giles gebracht hatte, und Helbye, der Eleanor während der Aufbahrung ihres Ehemannes begleiten sollte, hatte sich beschwert, dass es ein trübes und kaltes Gemäuer gewesen sei.
In der Luft lag ein schwacher Geruch, der alles andere als angenehm war, auch wenn der Hund eifrig schnüffelte und mit dem Schwanz wedelte. Jarveaux war nun schon seit vier Tagen tot, und der Duft der Kerzen, die Kälte in der Kirche und die Schalen mit getrockneten Blumen auf dem Altar konnten kaum die Tatsache verschleiern, dass es allmählich Zeit wurde, ihn zu beerdigen. Allerdings vermutete Geoffrey, dass das schwierig war, solange der Schneefall anhielt. Niemand wollte einen Leichnam in ein Loch legen, das zu flach war und wilde Tiere anlockte.
Zwischen den Särgen kniete ein Priester, und es waren seine Gebete, die flüsternd durch die Kirche hallten. Sein Latein war gut, doch seine Ausbildung hatte ihm anscheinend nicht viel materiellen Wohlstand eingebracht: Die Kutte wirkte abgetragen, und durch die Sohlen der Stiefel konnte Geoffrey die weiÃen FüÃe sehen. Der Geistliche blickte sich um, als Geoffrey eintrat, und verstummte. Geoffrey wollte ihn nicht stören und zog sich zurück, um erst einmal das Ãbrige zu besichtigen.
Es gab nicht viel zu sehen. Den Hochaltar bildete ein Tisch, auf dem ein hölzernes Kreuz stand. Im Altaraufsatz befand sich eine viereckige Nische mit einem Kranz aus Stechpalmenzweigen darin. Geoffrey setzte sich zu FüÃen einer Säule ins Hauptschiff und achtete darauf, dass sein Schwert nicht auf den Steinen klirrte und nicht den Priester ablenkte. Das Zischen und Murmeln lateinischer Worte, das durch die ansonsten stille Kirche hallte, erweckte in Geoffrey das Gefühl, dass er sich tatsächlich in einem Haus der Toten befand. Während er mit halbem Ohr zuhörte, überlegte er, was er als Nächstes anfangen sollte.
Wenn er sich den Hals verrenkte, konnte er von seinem Sitzplatz aus die beiden Verstorbenen sehen. Vom Körper eines Toten konnte man noch eine Menge erfahren, und hier lagen zwei, deren Tod vermutlich mit Flambard zu tun hatte, was immer Alice über Austern behauptet hatte. Es konnte nicht schaden, sie näher zu untersuchen und herauszufinden, was für Geheimnisse sie wohl zu verbergen hatten.
Aber das konnte er kaum tun, während der Priester danebenkniete, also bereitete er sich auf eine Wartezeit vor. Die allerdings würde wohl nicht allzu lang werden, wenn man bedachte, wie durchfroren der Mann wirkte. Der Hund lag neben Geoffrey und hatte den Kopf auf die Pfoten gelegt. Seine Ohren zuckten, während der Wind an Tür und Fensterläden rüttelte. Geoffrey entspannte sich. Er wusste genau: Wenn irgendjemand sonst sich Einlass verschaffte, würde der Hund knurren.
Es dauerte nicht mal eine Stunde, dann kam der Priester an Geoffrey vorüber und nickte ihm zu. Er zitterte heftig vor Kälte. Der Ritter entriegelte einen der Fensterläden und blickte dem Geistlichen hinterher, bis dieser in einem nahe gelegenen Häuschen verschwand. Fast sofort stieg Rauch aus dem Kamin auf und zeigte an, dass der Priester einen frischen, feuchten Scheit nachgelegt hatte. Vermutlich würde er nicht zurückkehren, ehe er sich nicht etwas Warmes zu trinken gemacht hatte, und vielleicht würde er an diesem Tag gar nicht mehr kommen.
Endlich war Geoffrey allein. Er ging zu den Särgen und hob eines der Laken an. Stanstede starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an, als hätte er nicht erwartet, dass der Tod auch ihn einmal ereilen könnte. Geoffrey wusste, dass Eleanor sich um die Leiche gekümmert hatte, also erwartete er nicht, dort noch etwas Ungewöhnliches zu finden. Stanstede war mit einem schneeweiÃen Hemd bekleidet, das ihm bis zu den Knöcheln reichte, und seine Finger umklammerten ein hölzernes Kreuz. Eleanor war mit liebevoller Sorgfalt vorgegangen: Sie hatte ihn rasiert, mit Duftöl gewaschen und sogar seinen Bart gestutzt. Geoffrey hatte das Gefühl, dass Stanstede im Tode um einiges besser aussah als zu Lebzeiten.
Verstohlen und in dem Bewusstsein, dass er eine Menge zu erklären haben würde, wenn ihn jemand erwischte, zog er das Leichenhemd von
Weitere Kostenlose Bücher