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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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uns, wir stehen im ständigen Kontakt mit allen maßgeblichen Organisationen und Hilfsverbänden, vom Roten Kreuz bis zum Flüchtlingshochkommissariat der UNO, wir arbeiten rund um die Uhr, wir machen alles mobil, was helfen könnte, wir informieren laufend die Öffentlichkeit … was wollen Sie da noch ausrichten?«
    »Ein Beispiel nur«, Hess hatte sich unaufgefordert vor Hörleins Schreibtisch gesetzt, »stimmt es, daß das Rote Kreuz verboten hat, sein Emblem, eben das Rote Kreuz auf weißem Grund, an die Bordwand des Rettungsschiffes zu malen?«
    »Ja!«
    »Aber keiner weiß das! Darüber will ich schreiben. Über die Bürokratie und Verbohrtheit, die wichtiger sind als vom Tode bedrohte Menschen. Stimmt es, daß das Bundeskanzleramt Ihnen bescheinigt hat, daß Ihr Auffischen von Ertrinkenden, Verdurstenden und Verfolgten kein humanitärer Akt ist?«
    »Ja.«
    »Und da fragen Sie, was ich schreiben könnte.«
    »Sie werden damit eine Menge Ärger bekommen, Herr Hess!« hatte Hörlein warnend gesagt. »Sie werden die gesamte ministerielle Macht gegen sich in Bewegung setzen.«
    »Das will ich ja! Man soll aufwachen oder Farbe bekennen. Ich will Millionen Bundesbürgern zeigen, wie schäbig und heuchlerisch Politik sein kann.«
    »Hess, man wird Sie vernichten! Unsere Gegner sitzen am längeren Hebel.«
    Aber dann hatte Hörlein nachgegeben, hatte sein gesamtes Material herausgeholt, und Hess hatte sich vier Tage lang mit stetig wachsender Verbissenheit durch die Berichte, Briefe und Zahlen gewühlt.
    Am Ende der vier Tage sagte er zu Hörlein: »Das ist kein Skandal mehr, Albert, das ist die Bankrotterklärung unserer Menschlichkeit. Das muß hinausgeschrien werden, sonst ersticke ich daran!«
    Die ersten Berichte, die Hess veröffentlichte, kamen Ohrfeigen gleich. Bei der Chefredaktion beschwerten sich – im Namen des Herrn Ministers – die Ministerialdirigenten und Staatssekretäre, die zuständigen Ministerialdirektoren für die Abteilungen innere Angelegenheiten, Sozialpolitik und Planung, die Chefs der Staatskanzleien der Länder und sogar die Minister persönlich.
    Chefredakteur Holger Hagen, kurz HH genannt, ließ Hess zu sich rufen und schob ihm die Proteste zu.
    »Thomas, so geht das nicht«, sagte er. »Gut, ich habe deine Berichte ins Blatt genommen. Hatte aber immer ein dummes Gefühl dabei, das weißt du. Nun ist die Kacke am Dampfen. Empörung auf der ganzen Linie!«
    »Man soll sich nicht empören, sondern helfen! Das ist ja das Schizophrene daran: Sie protestieren gegen ihr eigenes empörendes Verhalten!« Hess schob die Briefe ungelesen zu HH zurück. »Ich schreibe ja nur die Wahrheit.«
    »Das bestreitet man.«
    »Ich habe Beweise. Das Komitee hat bisher 10.395 Vietnam-Flüchtlinge aus dem Südchinesischen Meer geborgen. Über 10.000 Kinder, Frauen und Männer, die elend umgekommen wären. Und der Strom der Flüchtlinge reißt nicht ab. Drei bis fünf Millionen Vietnamesen, bei einer Gesamtbevölkerung von 52 Millionen, werden verfolgt, weil man ihnen vorwirft, noch mit dem alten, bürgerlich-kapitalistischen Regime zu sympathisieren. Die Armut wächst im Land, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit greifen um sich, und wir hier sind blind für diese Tragödie.«
    »Sehr eindrucksvoll, Thomas.« Holger Hagen tippte mit dem Zeigefinger auf die ministeriellen Protestbriefe. »Aber wenn wir uns um jedes Elend in der Welt kümmern wollten – in Mosambique und Angola, in Südamerika und Indien, in Mittelamerika und Haiti – dann müßte die Bundesrepublik sechsmal, zehnmal größer sein, als sie es ist. Wir dürften nicht nur Vietnamesen aus dem Meer fischen, sondern auch die Slums von Brasilien oder Peru sanieren.«
    »Sie werden nicht verfolgt, in Straflager gesteckt, gefoltert, zu Tode geprügelt, hingerichtet. Sie müssen nicht über das Meer fliehen in der wahnsinnigen Hoffnung, entdeckt und aufgefischt zu werden. Holger, du solltest mal vor dem Mekong-Delta hin und her fahren. Mitten unter den Piraten, die den Flüchtlingen auflauern und ihnen gar keine Chance mehr lassen.«
    »Du hast ja recht, Thomas.« HH hob beschwörend beide Hände. »Aber manchmal muß man auch den Mund halten können.«
    »Ich nicht!«
    »Und eben das wird Schwierigkeiten geben.« Holger Hagen suchte unter einem Stapel von Blättern ein zweiseitiges Manuskript hervor. Hess erkannte es sofort. Sein neuer Bericht für die Samstagausgabe. Er wußte genau, was HH jetzt sagen würde. »Dein neuer Kanonenschuß, Thomas. Du

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