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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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an etwas? Hast du Wünsche? Lebst du nicht gut? Genieß es. Das Leben ist kurz. Es könnte durch Fragen noch kürzer werden.«
    Und Nga schwieg. Auch über das, was man über Truc flüsterte und was man ihr erzählt hatte.
    An diesem Tage nun, an dem sie auf die Position 07.03 Nord/ 108.18 Ost zusteuerten, um das ›reiche‹ Flüchtlingsboot zu kapern, sprach Truc zunächst über Funk mit dem feisten Suphan und erkundigte sich, was er zahlen würde, wenn er Damen der Gesellschaft bekäme. Suphan war bereit, 20 Prozent mehr auszugeben. Damen der Gesellschaft waren meistens sehr gepflegt und für die besten Bordelle geeignet. Er hatte da seine Erfahrungen. Drei Töchter eines hohen Regierungsbeamten, der wegen heimlicher Kontakte zu China flüchten mußte, erwiesen sich im Nobelbordell von Bangkok als die gefragtesten und teuersten Gespielinnen. Vor allem deutsche Touristen zahlten jeden Preis. Neunzehn Deutsche hatten sie sogar schon mitnehmen wollen, aber Suphan gab sie nicht her.
    Nach dem Gespräch ging Truc unter Deck und besuchte die 28 Mädchen, die er auf dieser Fahrt bereits eingesammelt hatte. Sie lagen im Raum II, lasen in bunten Magazinen, stickten kleine Deckchen oder hörten Musik aus dem Radio. Als Truc die Tür aufschloß und eintrat, starrten ihn 56 Augen erwartungsvoll, aber mit verborgener Angst an. Wen traf es heute?
    Truc sah sich genüßlich und lange um, verglich und wies dann mit seinem Zeigefinger auf ein junges Mädchen. Es saß an der Wand und stickte. Gehorsam erhob es sich, legte das Deckchen zur Seite und verließ mit Truc den Raum.
    »Wie heißt du?« fragte Truc. Er verschloß die Kabinentür und legte seine Hände auf die jungen, spitzen Brüste des Mädchens.
    »Duong, Herr«, sagte sie ängstlich.
    »Du bist schön, Duong.«
    Das war genug. Mit einem Riß entblößte er ihre Brüste, der zweite Riß zerfetzte das dünne Kleid vollends. Mit einem Stoß schleuderte der Pirat Duong auf das Bett und warf sich dann über sie.
    Ergeben, ein zitternder, schmaler, noch kindlicher Körper, ließ sie ihn gewähren. Ich lebe, dachte sie dabei. Ich werde weiterleben. Die anderen sind tot. Aber ich lebe … Ist das nicht viel, was mir geblieben ist? Leben …
    Der zwanzigste Tag.
    Xuong war in dem hölzernen Verschlag gewesen. Nun saß er wieder neben dem Motorkasten und begann, Cuongs Vorschlag zu überlegen, erst die Frauen und Kinder und dann sich selbst zu töten. Noch zwei oder drei Tage hielt es niemand mehr aus. Die Kinder dörrten aus, wurden faltig, verschrumpelten und sahen wie winzige Greise aus. Die Frauen, die Haut vom Salzwasser zerfressen, lagen wie Mumien herum, mit weiten, übergroßen, hohlen Augen; wenn man sie ansprach, reagierten sie nicht mehr, gaben keinen Laut von sich und rührten sich nicht. Die Verpflegung bestand noch aus einem Säckchen Nudeln, einem kleinen Kanister Trinkwasser, einer Blechbüchse mit Tee und zwei Kilo Reis. Das Gas zum Kochen war verbraucht, was nutzten also Nudeln und Reis, man konnte sie ungekocht kauen, aber sie hatten alle keinen Speichel mehr, um sie im Mund aufzuweichen. Zwar fingen Vu Xuan Le und drei andere Männer mit Angeln und einem winzigen Netz Fische. Man schlang sie roh hinunter, aber der Durst wurde dadurch nur noch stärker. Die Kinder würgten, zum Schreien und Weinen waren sie bereits zu schwach.
    Das Ende. Xuong legte beide Hände über seine Augen. 43 Menschen, die Frieden und Freiheit suchten, würden elend zugrunde gehen. 46 Schiffe, die neues Leben bedeutet hätten, waren an ihnen vorbeigefahren. Hatten sie einfach übersehen, bewußt übersehen. Waren geflüchtet vor der Verantwortung und vor den Schwierigkeiten mit den Heimatlosen.
    »Wir könnten Blut trinken!« sagte Xuong zu Cuong, der sich neben ihn setzte.
    »Blut?«
    »Wenn jeder der siebzehn Männer Blut hergibt, könnten wir, zusammen mit dem Wasser vielleicht fünf Tage überleben.«
    »Und dann, Lehrer?«
    »Es werden einige von uns eines natürlichen Todes sterben. Das ist viel Blut, und wir werden auch nicht verhungern –«
    »Du – du willst …« Cuong begann zu stottern, griff sich an den Hals und schluckte krampfhaft. »Ich – ich soll Thi aufessen? Und das Kind in ihrem Bauch …«
    »Wer sagt dir, daß Thi zuerst sterben wird?«
    »Sie ist die Schwächste von allen. Das Kind nimmt ihr alle Kraft weg.« Cuong starrte auf die vier Männer, die wie jeden Tag an der Bordwand lehnten und auf Fische lauerten. »Xuong, was gewinnen wir dabei, wenn wir uns

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