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Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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ein schwimmendes Hotel aussah, und auf dessen sieben Stockwerken
sich ein dichtes Gewirr aus Masten, Funkantennen, Radartrichtern,
Marisat-Kuppeln, Heißleinen und Flaggen drängte.
Zunächst war Anthony sich unsicher, welche der im Augenblick
gehißten Flaggen ihn mehr störte – die Flagge mit dem
Schlüssel-und-Tiara-Symbol des Vatikans oder die mit dem
weltberühmten Stegosaurus-Logo der Karibischen Petroleum AG.
Schließlich entschied er sich dafür, Marbles Rafferty die Karpag- Farben streichen zu lassen, sobald der Erste Offizier
dazu die Gelegenheit fand.
    Während das Motorboot ums Heck der Valparaíso brummte, grapschte Anthony nach der Jakobsleiter und klomm zum
Deck hinauf, sofort gefolgt von Pater Ockham. Eines mußte er
diesem herrschsüchtigen Priester lassen: Der Mann hatte Nerven.
Ockham erkletterte die Jakobsleiter mit völliger Gelassenheit,
eine Hand am Diplomatenkoffer, eine an den Rungen, als
müßte er jeden Tag Strickleitern benutzen.
    Die auf dem Achterschiff nachgerüsteten Ankerwinden hoben
sich schroff gegen die Silhouette Jersey Citys ab, zwei aufs
Achterdeck geschraubte, motorisierte Spillen, die einem Paar
übergroßer Musikwalzen glichen; aufgerollt hatte man keine
üblichen Trossen, sondern schwere Ketten, deren Glieder so dick
waren wie Schläuche. Am Ende jeder Kette lag ein enormer
Warpanker, zwanzig Tonnen Eisen, ein Anker, um einen Wal zu fangen,
einen Kontinent zu schleppen, den Mond zu vertäuen.
    »Sie sehen hier ganz ausgefallene Vorrichtungen«, sagte
Ockham, öffnete den Aktenkoffer und zog eine gerasterte, an ein
Marmorpapier-Klemmbrett geklammerte, rosa Kontrolliste hervor.
»Die Anker sind per Eisenbahn aus Kanada geliefert, die Motoren
aus Deutschland und die Winden aus Belgien eingeflogen worden. Bei
den Ketten haben die Japaner uns ein gutes Geschäft
ermöglicht, nämlich USX um zehn Prozent
unterboten.«
    »Sie haben diese Sachen ausgeschrieben?«
    »Eigentlich ist die Kirche kein reguläres
Wirtschaftsunternehmen, Anthony, aber sie weiß, was der Dollar
wert ist. Seien Sie unbesorgt, alles entspricht Ihren
Anforderungen.«
    Die beiden Männer betraten den Lift und fuhren drei Etagen
weit ins Proviantdeck hinab. In der Bordküche war eine Schar
Frauen in reger Geschäftigkeit. Fleißige, robuste,
tüchtig aussehende Personen in Jeans und khakigelben
Arbeitshemden wimmelten umher, füllten die diversen
Tiefkühltruhen und Kühlschränke mit
Eiscrem-Familienpackungen, Säcken voller gefrorener Koteletts,
großen Rädern Käse, Schinkenlagen, Speckseiten,
Rinderhälften, Milchcontainern und Salatöl in
Zweihundertlitercontainern, die an Fässer texanischen
Rohöls erinnerten. Eine orangefarbener, allerdings rostfleckiger
Toyota-Propangas-Gabelstapler rollte fauchend vorüber, hatte
eine hoch mit Kisten frischer Eier beladene Palette auf den
Forken.
    »Zum Teufel, wer sind denn diese Leute?«
    »Arbeitspferde des Vatikans«, erklärte Ockham.
    »Für mich sehen sie wie Frauen aus.«
    »Es sind Karmeliterinnen.«
    »Was für ’n Zeug?«
    »Nonnen des Karmeliterinnenordens.«
    »Herrjesses…«
    In der Mitte der Bordküche stand in ganzer Stattlichkeit,
eine weiße Schürze umgebunden, Sam Follingsbee,
überwachte das Durcheinander wie ein Verkehrspolizist. Sobald er
die Ankömmlinge sah, watschelte der Schiffskoch herbei und
tippte an seine einem Sahneberg ähnliche Mütze.
    »He, Sir, vielen Dank für die Empfehlung.«
Follingsbee drückte seinem Kapitän die Hand. »Ich
hatte nämlich wirklich ehrliche Sehnsucht nach diesem
Schiff.« Er schwang den beeindruckenden Wanst zu dem Priester
herum. »Pater Ockham, ja? Na, ich bin ja richtig gespannt…
Wie kommt’s, daß wir auf ’ner lumpigen Karpag- Fahrtdie Dienste all dieser hübschen Schwestern
genießen, von Ihrer Beteiligung ganz zu schweigen?«
    »Es wird keine Karpag-Fahrt«, erwiderte Ockham.
    »Um was geht’s denn sonst?«
    »Wenn wir erst einmal auf See sind, wird sich alles in
erheblichem Umfang klären.« Mit den knochigen Fingern
trommelte der Geistliche auf die Kontrolliste. »Ich habe eine
Frage an Sie. Am Freitag habe ich eintausend Hostien bestellt. Ein
bißchen ähneln sie Spielchips…«
    Follingsbee lachte zurückhaltend. »Ich weiß, wie sie aussehen. Sie haben ’n ehemaligen Meßdiener
vor sich.
    Keine Bange, die Hostien sind alle in Kühltruhe sechs, sie
könnten nicht besser aufgehoben sein. Feiern Sie während
der Fahrt täglich die Messe, Pater?«
    »Natürlich.«
    »Ich bin dabei«,

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