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Das Gottschalk-Komplott

Das Gottschalk-Komplott

Titel: Das Gottschalk-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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gekleidet in einen schlichten, grauen Freizeit-Overall, dessen Größe nicht ganz zu seiner stämmigen Figur paßte, den Bart säuberlich gestutzt, sein Haar weit kürzer, als es gegenwärtig modisch war, letzteres aufgrund irgendeiner internen Klinikanordnung, die mitbekommen zu haben sie sich entsann und in der etwas über das Auftreten von Läusen bei Patienten stand, die zu lange allein in scheußlichen Wohnverhältnissen existiert hatten.
    Was für ein Typ von Mensch war er überhaupt? Bis jetzt, abgesehen davon, daß man sie einander vorgestellt hatte, sie zusammen zur RasanTransit-Haltestelle hinabgeliftet waren und dort einige Augenblicke lang auf die herbeorderten Abteil-Segmente gewartet hatten, konnte von einem Kontakt zwischen ihnen keine Rede sein. Ein paar Höflichkeitsfloskeln waren geäußert worden, mehr nicht. Sie wußte von Reedeth ein wenig über ihn, in der Hauptsache, daß er, wäre er nicht zur Armee eingezogen worden und hätte er nicht im Kampfeinsatz irgendein unerträgliches Erlebnis mitmachen müssen, nie einen Zusammenbruch jener Art erlitten hätte, weshalb er in die Psychiatrie mußte.
    Anläßlich ihrer Rückkehr in die Ginsberg-Klinik unter so völlig anderen Umständen als am vorherigen Tag hatte sie recht plötzlich begriffen, warum ihr diese Örtlichkeit bei ihrer erstmaligen Ankunft so zuwider gewesen war; ihr Abscheu stand in keinem speziellen Zusammenhang mit ihrem Pythonessen-Talent. Vielmehr ließ er sich ganz einfach auf ihr Bewußtsein der Tatsache zurückführen, daß sie sich, als sie diese Laufbahn einschlug, dafür entschied, ihr Leben am Rande buchstäblichen Wahnsinns zuzubringen: mit fremdem Geist zu denken, könnte man vielleicht sagen … oder was eben geschehen mochte, sobald sie eine SibyllPille schluckte und in Trance verfiel. Ein falscher Schritt, und sie landete womöglich für immer in dieser gräßlichen Klinik.
    „Wie wenig den Verstand vom bloßen Denken trennt“, murmelte sie, als sie die Höhe der wachsamen Polizisten am oberen Ende der Rolltreppe erreichte.
    „Selbstgespräche, hm?“ meinte einer davon mit kehligem Auflachen. „Gib auf dich acht, G’spusi, sonst bist du bald reif für ’n Fahrschein in die Ginsberg-Klapsmühle, aber ohne Rückfahrt.“
    „Da kommt ’n Nieb“, sagte einer seiner Kollegen. „Den schauen wir uns mal an, hä? Wir haben heute noch niemanden erwischt, aber man weiß ja nie. Du! Du Knieblank da!“
    Mit beiden Füßen nun auf festem Boden, drehte sich Lyla um, und tatsächlich, es war Harry Madison, den sie ausgeguckt, zur Seite gezerrt und zu durchsuchen begonnen hatten: fünf hünenhafte Polizisten, dermaßen gewappnet, beschirmt und gepolstert, daß niemand zu erkennen vermochte, ob sie selbst hell- oder dunkelhäutig waren, ausgerüstet mit Helmen, Panzerwesten, Schutzschilden, Pistolen, Lasern und Gasgranaten. Aber jegliches Disputieren wäre aussichtslos gewesen. Sie hätte nur alles verschlimmert, wäre sie hingegangen und hätte gesagt, daß sie sich zusammen unterwegs befanden.
    Gleichgültig kam er der Aufforderung nach, seine ID-Karte vorzuzeigen, und auf die Aushändigung seiner Entlassungsbescheinigung der Ginsberg-Klinik erfolgte eine absehbar gewesene Reaktion. „Warum hat man dich nicht nach Blackbury abgeschoben?“
    Keine Antwort. Er war sehr ruhig, dieser Mann, bemerkte Lyla, ungewöhnlich selbstbewußt, nicht im mindesten bestürzt über das, was er nun in den Straßen sah, ungeachtet des Umstands, daß sie sich in erschreckendem Maße verändert haben müßten, seit er zuletzt in der Stadt gewesen war: explosionssichere Blenden über den Schaufenstern, die über einen halben Meter hohen polizeilichen Trennwälle beiderseits, der für Fälle von Unruhen und Bränden gedachten Einsatzspur inmitten der Straße, die versenkbaren Waffenkuppeln an den nahen Kreuzungen, die dicken Schutzwände aus Beton, errichtet in Abständen von je zwei Häuserblocks, exakt von der Länge eines Polizeifahrzeugs, dazu bestimmt, die Dienstwagen zu schützen, wenn ein Gebäude barst und Trümmermassen sich auf die Straße herabwälzten.
    Zweifellos war all das aber im Fernsehen gezeigt worden. Nicht einmal in der Ginsberg-Klinik lebte man wie auf einem anderen Planeten.
    Vielleicht enttäuscht – denn sie hatten nicht die Mühe gescheut, ihn seine Tasche öffnen und den Inhalt vorzeigen zu lassen –, gaben die Polizisten Madison zu guter Letzt durch Nicken die Erlaubnis zum Weitergehen, und einer von ihnen, der

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