Das Grab des Herkules
die Speedboote waren nur noch fünfzig Meter entfernt und holten rasch auf.
Nina hob in dem Moment den Kopf, als der Sumpfgleiter den Schilfgürtel erreichte, eine drei Meter hohe grüne Wand. Der flache Bug drückte das Schilf nieder und bahnte den Weg. Blätter brachen, Stängel wurden entwurzelt und flogen wie Wurfgeschosse umher. Schützend bedeckte Nina ihre Augen und duckte sich, als sie rechts von sich eine Bewegung im Schilf ausmachte. Einen Moment lang meinte sie, es handele sich um eine Explosion, doch dann stellte sie erleichtert fest, dass es nur Vögel waren: Zu tausenden erhoben sie sich mit flatternden Flügeln von den Schilfhalmen in die Lüfte und flohen vor dem wilden Ungeheuer, das ihre Ruhe störte.
Chase sah nur noch Schilfrohr, meterhoch. Die schwankenden Rohre peitschten erbarmungslos auf ihn ein, doch er konnte sein Gesicht nicht schützen – er brauchte beide Hände zum Steuern. Mit zusammengebissenen Zähnen gab er weiter Vollgas und steuerte den Sumpfgleiter noch tiefer in den bizarren Wald hinein, während der ungeschützte Propeller die Pflanzen schredderte.
Die Speedboote folgten ihm mit röhrenden Außenbordern. Hin und wieder gaben die Maschinenpistolen einen Feuerstoß ab, aber in diesem grünen Labyrinth hatte der Beschuss nachgelassen.
Ein lauter Knall ließ Nina und Chase zusammenzucken, dann veränderte sich das Motorengeräusch von einem der Boote: Seine Schraube hatte offenbar die Wasseroberfläche durchstoßen, und das Boot war auf eine Untiefe aufgelaufen. Allerdings war es dadurch lediglich langsamer geworden – den Geräuschen zufolge hatte es gleich darauf das Hindernis überwunden und nahm wieder Fahrt auf.
Die anderen beiden Boote durchteilten nach wie vor das Schilf und versuchten, Chase in die Zange zu nehmen.
Nina schielte zum nächsten Boot hinüber. Sie hatte sich allerdings so tief geduckt, dass ihr Kopf kaum dreißig Zentimeter über der Wasserlinie aufragte und sie lediglich hin und wieder den weißen Rumpf aufblitzen sah. Das Schilf stand so dicht, dass alles, was weiter als drei Meter entfernt war, praktisch unsichtbar war. Allerdings hörte sie den brüllenden Motor und das Knacken und Rauschen der Schilfrohre nur allzu deutlich.
Mit einem Schlag kam das Schneetreiben der zerfetzten Blätter jedoch zum Erliegen: Das Gleitboot schoss mit atemberaubendem Tempo aus dem Schilfgürtel hervor und geriet in ein sumpfiges stehendes Gewässer, das durch Schlammbänke vom Fluss getrennt war. Gleich darauf kam fünfzig Meter an Steuerbord das erste Speedboot aus dem Schilf hervor.
Nina erkannte Fang sofort.
Er sah sie ebenfalls und lächelte böse.
Das Lächeln verging ihm jedoch, als sie das Gewehr hochriss und die gesamte verbliebene Munition auf ihn abfeuerte. Der Fahrer des Bootes duckte sich und schwenkte scharf ab.
»Hurensohn!«, knurrte Nina, als das leere Magazin klickte.
Das Speedboot schwenkte wieder herum, und aus dem Augenwinkel sah Nina, wie Fang zornig mit dem Finger auf sie deutete. Sie zeigte ihm den Mittelfinger, was ihn noch mehr erboste.
Er legte eine MP-5 an, und sein Mitfahrer auf dem Rücksitz tat es ihm nach. Beide Männer zielten jetzt auf den Sumpfgleiter …
»Mist!«, brüllte Chase, als das zweite Boot an Backbord zu ihnen aufschloss. Von dort war ebenfalls eine Mündung auf sie gerichtet – allerdings nicht die einer Maschinenpistole, sondern ein amerikanischer Raketenwerfer vom Typ M72. »Eine Panzerfaust!«
Nina hielt die Luft an. Sie steckten ernsthaft in Schwierigkeiten – daran ließ Chases Tonfall keinen Zweifel. Sie duckte sich, so gut es ging, und schlang die Arme um den Kopf.
Der Mann mit dem Raketenwerfer zielte auf Chase, wappnete sich gegen den Rückstoß – und feuerte.
Chase riss mit aller Kraft an den Steuerhebeln und drehte das Gleitboot um volle 360 Grad. Die Rakete verfehlte ihn nur um Zentimeterbreite. Dafür schoss sie dem Wachmann, der auf dem Rücksitz des anderen Speedboots saß, mitten durch die Brust, schoss weiter und explodierte im Wasser. Als der Mann aus dem Boot geschleudert wurde, schoss ein hellroter Wasserstrahl wie eine Fontäne fünfzehn Meter hoch in die Luft und es regnete abgetrennte Gliedmaßen.
Der Fahrer des Bootes, der nur knapp dem Tod entgangen war, blickte entgeistert zu Fang hinüber. Chase schwenkte den Gleiter scharf nach steuerbord und hielt auf das Boot zu.
Es ging alles zu schnell für den verdutzten Fahrer: Fang rief zwar noch eine Warnung, doch er reagierte zu
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