Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan
Zimmer.
Das Abendessen lief, wie man es erwarten konnte.
Als ich um elf nach oben ging, rauchten Gordie und Ryan Zigarren und führten Stand-up-Sketche auf. Vecamamma hielt Schilder mit Ziffern in die Höhe, um ihre Darbietungen zu bewerten.
Um acht am nächsten Morgen kam ich wieder herunter. Ryan war bereits in der Küche und aß French Toasts so schnell, wie meine Schwiegermutter sie ihm auf den Teller legen konnte. Beide begrüßten mich mit bonjour.
Beim Essen erzählte ich Ryan von 287JULOS. Noch wollte ich nicht allgemein verkünden, was ich in Bezug auf Lassie Tot vermutete, und ich bezweifelte auch, dass Vecamammas neu erworbene sprachliche Fähigkeiten es ihr gestatteten zu comprendre.
»Du bist überzeugt, dass es er ist?«
»Alles passt. Alter, Geschlecht, Rasse, Größe und Zeit des Verschwindens. Wie viele gut Zwanzigjährige mit einem Meter achtzig verschwinden pro Jahr schon?«
Aus der Gegend des Herds kam leises Zungeschnalzen. »Wer hat die ursprüngliche Anthropologie gemacht?«
»Corcoran wusste es nicht.«
»Wie ist der Junge gestorben?«
»Ich weiß es nicht. Er hat eine Menge Brüche, aber die können durchaus alle eine Folge des Sturzes sein.«
»Wie tief ist der Steinbruch?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wie ist er da hineingeraten?«
»Ich weiß es nicht.«
Zungeschnalzen. Vom Herd.
Ich wechselte ins Englische.
»Das ist köstlich, Vecamamma.«
»Heute Abend gibt es Schmorbraten.«
»Den möchte ich auf keinen Fall verpassen.« Ich goss mir Sirup auf den neuen Pfannkuchen, den sie mir auf den Teller gelegt hatte. »Tut mir wirklich leid wegen der Fotoalben.« Wegen der Plätzchen brauchte ich gar nichts mehr sagen. Sie hatte inzwischen bestimmt schon Millionen gebacken.
»Das machen wir ein anderes Mal. Hilf du nur Cukura Kundze.«
Ryan wechselte nun wieder ins Französische und überbrachte mir die erste schlechte Nachricht des Tages. »Erinnerst du dich noch an die alte Dame, die vor eineinhalb Jahren in ihrem Haus zu Tode geprügelt wurde?«
»In Pointe-Calumet?«
Ryan nickte. »Anne-Isabelle Villejoin. Sie war sechsundachtzig. Lebte mit ihrer dreiundachtzigjährigen Schwester Christelle zusammen. Christelle wurde nie gefunden.«
Ich war an dem Fall zwar nicht beteiligt gewesen, aber ich erinnerte mich daran. Ganz Montreal war entsetzt über die Brutalität des Verbrechens gewesen. Und über die kaltblütige Ermordung so betagter Opfer. Die Suche nach Christelle war erschöpfend, aber ergebnislos gewesen.
»Vor einer Stunde habe ich einen Anruf erhalten«, fuhr Ryan fort. »Gestern Nacht wurde auf dem TransCanada ein Kerl namens Florian Grellier mit einhundertvierzig Sachen gestoppt. Eine Routineüberprüfung ergab, dass Monsieur Grellier die Formalität versäumt hatte, den Volvo XC90, den er fuhr, tatsächlich zu kaufen. Grellier nahm sich einen Gerichtsschleicher namens Damien Abadi zum Anwalt. Abadi behauptete, sein Mandant habe Informationen bezüglich einer vermissten alten Dame. Nach erhitzten Verhandlungen beschloss Grellier, als Gegenleistung für ein absolutes »Vielleicht« des Staatsanwalts, dass es in seinem Interesse sei, mitzuteilen, was er wusste.
Um es kurz zu machen, heute Morgen führte man einen Spürhund über ein Feld in der Nähe des Parc d'Oka.«
O nein.
»Der Hund schlug an.«
»Schrie wie eine Ziege in einem Pferch.«
»Leichenhunde bellen nicht. Sie setzen sich.«
»Okay. Fido klatschte seinen Arsch auf den Schnee und zeigte an, dass da was nicht stimmt.«
»Wurde mein Name erwähnt?«
»Man sagte mir, Hubert würde dich anrufen.«
Jean-Claude Hubert ist der Chief Coroner von Quebec und im Augenblick mein wichtigster Ansprechpartner. Falls es eine Exhumierung geben sollte, würde Hubert wollen, dass ich sie leite, das wusste ich.
»Was hast du heute vor?« Ryan wechselte das Thema.
»Ich will die Sache im CCME zu Ende bringen. Falls das Skelett aus dem Steinbruch Lassie ist, besuche ich Cukura Kundze und Mr. Tot, um ihnen die Nachricht persönlich zu überbringen. Dann will ich nach Winnetka fahren, um zu sehen, was ich mit meinem Charme aus dem alten Jurmain herauslocken kann.«
»Willst du Gesellschaft?«
»Oprah hat gerade andere Verpflichtungen.«
»Ich kann sehr charmant sein.« Ryan zwinkerte doch tatsächlich.
»Hast du mit deinem neuen besten Freund denn keine Exkursion geplant?« Eine Vorahnung, dass ich nun doch nicht nach Charlotte kommen würde, machte mich gereizt.
»Ich fliege um sechs.« Ryan wusste auch, was
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