Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan

Hubert von mir verlangen würde. »Also, ich denke mir Folgendes: Während du dich um die Knochen kümmerst, buche ich dein Flugticket um. Und nach dem Besuch bei Cukura Kundze wickeln wir den alten Jurmain mit unserem vereinten Charme ein und fahren dann direkt zum O'Hare.«
    Nach dem Frühstück rief ich im Bureau du coroner an. Wir hatten beide recht.
    Verdammt.
    Auf dem Weg zum Auto schnappte ich mir die 'Tribune, die auf dem Vordertreppchen lag.
    Meine Laune war so mies, dass ich Ryan sogar fahren ließ.
    Weil ich nicht reden wollte, schlug ich die Zeitung auf und überflog die Schlagzeilen.
    Und erhielt meine zweite Ladung schlechter Nachrichten.

10
    Die Kälte, bei der man sich fragte, warum ein vernunftbegabtes Wesen freiwillig hier lebte, trat in den Hintergrund. Die beschlagenen Scheiben. Die Heizung, die mir arktische Luft an die Füße blies.
    Nichts existierte mehr außer der Schrift vor meinen Augen. »Du wirst dich noch verletzen.«
    Ryans Stimme holte mich zurück.
    »Jurmain ist tot«, sagte ich und zog die oberen Schneidezähne aus meiner Unterlippe.
    »Edward Allen?«
    »Lokalteil erste Seite.«
    »Was ist passiert?«
    »Wurde am Fuß seiner Kellertreppe gefunden.«
    Meine Stimme klang spröde. »Die Familie sagt, es war ein Schlaganfall.«
    »Autopsie?«
    »Wird nicht erwähnt.«
    »Schechter sagte doch, Jurmain sei gesundheitlich angeschlagen.«
    »Ein paar Tage länger hätte der alte Fuchs schon noch durchhalten können.«
    Ryan ignorierte das. »Was sonst noch?«
    »Der Artikel ist vorwiegend eine Huldigung.«
    Ich las ihm einige Auszüge vor.
    »Früherer Präsident und Hauptgeschäftsführer von Jurmain Foods, später Smiling J. Blablabla. Bekannte Persönlichkeit in der Snack-Industrie von den Vierzigern bis in die Achtziger. Blablabla. Starb im Alter von einundachtzig Jahren in seinem Haus in Winnetka. Blablabla. Erhielt eine Auszeichnung für seine Verdienste in der SFA.«
    »SFA?«
    »Snack Food Association. Dieser Verband der Snack-Hersteller ist eine internationale Handelsorganisation, die weltweit über vierhundert Firmen vertritt.«
    »Der ordinäre Käsekringel hat seine eigene Lobby?«
    »Nach diesem Artikel teilen sich Käse-Snacks eine Vertretung mit Kartoffelchips, Tortilla-Chips, Müsli-Snacks, Brezeln, Popcorn, Snack-Crackern, Nüssen, Party-Mix, Mais-Snacks, Getreide-Snacks, Frucht-Snacks, Schokoriegeln und Plätzchen.«
    »Wer hätte das geahnt.«
    »Die alljährliche Messe heißt SNAXPO.«
    »Natürlich heißt sie so.«
    Ich las laut vor. »Jurmains Verbindung mit der Snack-Industrie beginnt 1956 nach seinem Dienst bei der Neunundsiebzigsten Infanteriedivision im Zweiten Weltkrieg. Nach-«
    »Das ist wahrscheinlich schon mehr, als ich wissen muss.«
    »Verdammt, Ryan. Wie soll ich je diesen Mistkerl von Anrufer finden?«
    »Vielleicht weiß Schechter mehr, als er sagt.«
    »Vielleicht.«
    »Wie wär's damit? Ich jage den Anwalt, während du Lassie untersuchst. Wenn du fertig bist, überfallen wir Schechter statt Jurmain.«
    »Wenn der Kerl in einer großen Kanzlei arbeitet, kommen wir nie an der Rezeption vorbei. Diese Leute sind wie Samuraikrieger, die den König bewachen.«
    »Shogun.«
    »Was?«
    »Sie bewachen den Shogun. Aber eigentlich meinst du die Hatamoto, die ranghöheren Krieger. Nur die Hatamoto dienten als persönliche Wachen des Shogun.«
    »Wie auch immer.«
    Ich wackelte mit den Zehen, um sie zu wärmen. »An Schechter kommen wir nie ran.«
    »Du vergisst den alten Ryan-Charme.« Er blinzelte mir zu.
    »Und wenn der nicht wirkt.«
    »Dann halte ich meine Marke hoch.«
    »Du hast hier keine Befugnisse.«
    »Ich halte sie sehr kurz hoch.«
    Wir hatten Glück. Die Navy war auf Nummer sicher gegangen, und das CCME hatte Laszlo Tots Unterlagen noch im Archiv.
    Zunächst verglichen Corcoran und ich Lassies antemortale Röntgenaufnahmen der Zähne, der Brust und des rechten Unterarms mit den postmortalen Aufnahmen, die nach 287JULOSs Ankunft in der Leichenhalle gemacht wurden. Trotz der fehlenden Zähne, der Schäden am Schädel und den Rippenbrüchen konnten wir eindeutig feststellen, dass der Mann, den man im Thornton Quarry gefunden hatte, tatsächlich der vermisste Matrose war.
    Vielleicht gab es gerade wenig Neuzugänge. Vielleicht lag es daran, dass 287JULOS jetzt einen Namen hatte. Ich fragte nicht nach, ich akzeptierte einfach meine Beförderung aus dem Lagerraum in einen Autopsiesaal im hinteren Teil des Gebäudes.
    Um zehn lag Lassie auf Edelstahl