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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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getrennt waren, und ich hoffte, die Pause würde dazu beitragen, den tranceähnlichen Zustand zu zerstreuen, in dem Denis immer lächerlicher wirkte. Marceline beeilte sich nicht mit der Rückkehr, sondern schien ihre Abwesenheit so lange auszudehnen, wie sie irgend konnte. Denis nahm das gelassener hin, als man es von einem so abgöttisch liebenden Ehemann erwartet hätte, und war wieder mehr er selbst, als er sich mit Marsh über die alten Zeiten unterhielt und den lustlosen Ästheten aufzuheitern versuchte.
    Marsh schien es hingegen kaum erwarten zu können, die Frau wiederzusehen, vielleicht weil er dachte, ihre fremdartige Schönheit oder irgendeine Phase des Mystizismus, der ihren einstigen magischen Kult gekennzeichnet hatte, würde ihm helfen, sein Interesse an der Realität wiederzufinden und ihm neue Anregungen zu schöpferischer Tätigkeit geben. Daß er keinen niedrigeren Beweggrund haben konnte, dessen war ich mir aus der Kenntnis seines Charakters heraus absolut sicher. Bei all seinen Schwächen war er doch ein Gentleman, und ich war eigentlich erleichtert gewesen, als ich erfuhr, daß er zu uns kommen wollte, weil allein schon seine Bereitschaft, Denis’ Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen. Beweis genug war, daß er keinen Grund hatte, dies nicht zu tun.
    Als Marceline dann endlich wiederkam, konnte Marsh seine tiefe Bewegung nicht verbergen. Er sprach sie nicht auf die bizarren Dinge an, von denen sie sich so gründlich losgesagt hatte, war aber unfähig, die grenzenlose Bewunderung zu verbergen, die seine Augen, die jetzt zum erstenmal seit seiner Ankunft auf jene merkwürdige Weise geweitet waren, von dem Moment an, da sie den Raum betrat, nicht von ihr weichen ließ.
    Sie schien sich dagegen durch seinen stetigen prüfenden Blick eher gestört zu fühlen, das heißt, ich hatte diesen Eindruck am Anfang, während sich dieses Gefühl in wenigen Tagen bei ihr zu verflüchtigen schien, so daß die beiden schließlich in der herzlichsten und angeregtesten Weise miteinander umgingen. Marsh musterte sie unausgesetzt, wenn er sich unbeobachtet glaubte, und ich fragte mich, wie lange es so bleiben würde, daß nur der Künstler, nicht aber der Mann in ihm durch ihre mysteriösen Reize angeregt wurde. Denis reagierte verständlicherweise etwas gereizt auf diese Wendung der Dinge, obwohl er sich sagen mußte, daß sein Gast ein Ehrenmann war und daß Marceline und Marsh als verwandte Geister auf den Gebieten der Mystik und der Ästhetik natürlich über Dinge und Interessen diskutieren wollten, an denen ein gewöhnlicher Sterblicher keinen Anteil haben konnte. Er verargte keinem von beiden etwas, sondern bedauerte nur, daß seine eigene Phantasie zu begrenzt und traditionell war, als daß er sich wie Marsh mit Marceline hätte unterhalten können. In dieser Phase hatte ich wieder mehr von meinem Sohn. Da seine Frau jetzt öfter anderweitig beschäftigt war, hatte er Muße, sich darauf zu besinnen, daß er noch einen Vater hatte noch dazu einen, der bereit war, ihm in jeder schwierigen oder verwirrenden Situation zur Seite zu stehen.
    Wir saßen oft zusammen auf der Veranda und sahen zu, wie Marsh und Marceline die Auffahrt entlangritten oder auf dem Platz, den wir früher südlich vom Haus hatten, Tennis spielten. Sie unterhielten sich zumeist auf französisch, in dem sich Marsh gewandter auszudrücken verstand als Denis oder ich. Im Englischen, das sie schon immer grammatikalisch korrekt gesprochen hatte, verbesserte Marceline auch zusehends ihre Aussprache, aber es war offensichtlich, daß sie es genoß, sich ab und zu wieder ausgiebig in ihrer Muttersprache unterhalten zu können. Wenn wir so dasaßen und sahen, wie gut die beiden zueinander paßten, fiel mir oft auf, wie sich Denis’ Wangen und Halsmuskeln strafften, doch war er nach wie vor ein
    vorbildlicher Gastgeber für Marsh und ein vorbildlicher Ehemann für Marceline. Dies alles spielte sich normalerweise am Nachmittag ab. Marceline stand nämlich immer sehr spät auf, frühstückte im Bett und brauchte dann ungeheuer viel Zeit, um sich herzurichten. Ich habe nie eine Frau gekannt, die derart intensiven Gebrauch von Kosmetik, Schönheitsgymnastik, Haaröl, Salben und all diesen Dingen machte. In diesen Vormittagsstunden befaßten sich Denis und Marsh miteinander und führten die vertraulichen Gespräche, die ihre Freundschaft trotz der Belastung durch die Eifersucht aufrecht erhielten.
    Eines dieser vormittäglichen Gespräche auf der Veranda

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