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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Brennpunkt kosmischer Kräfte, der es vielleicht mehr als alles andere auf der Welt verdient, göttlich genannt zu werden !”
    Ich hatte an diesem Punkt den Eindruck, daß sich die Spannung löste, denn die merkwürdige Abstraktheit von Marshs Rede sowie die schmeichelhaften
    Äußerungen, mit denen er Marceline jetzt überhäufte, mußten unweigerlich entwaffnend und besänftigend auf einen Mann wirken, der seiner Frau mit so liebevollem Stolz zugetan war wie Denis. Marsh hatte den Umschwung offenbar selbst bemerkt, denn er fuhr jetzt mit festerer Stimme fort.
    “Ich muß sie malen, Denny muß dieses Haar malen -, du wirst es nicht bereuen. Es ist etwas an diesem Haar, das mehr als menschlich ist mehr als schön -. ” Er brach ab, und ich fragte mich wieder, was Denis wohl denken mochte, ja ich fragte mich, was ich selbst denken sollte. War Marshs Interesse wirklich nur das eines Künstlers, oder war er lediglich genauso verblendet, wie es Denis gewesen war? Ich hatte immer gedacht, er habe in der Schule meinen Sohn beneidet, und ich hatte das unbestimmte Gefühl, daß das jetzt auch wieder der Fall war. Andererseits hatte einiges in seinen Ausführungen über den künstlerischen Anstoß erstaunlich wahr geklungen; je mehr ich grübelte, um so mehr neigte ich dazu, das Ganze für bare Münze zu nehmen. Denis war offenbar zu einem ähnlichen Schluß gekommen, denn obgleich ich seine leise gesprochene Antwort nicht verstand, entnahm ich der Reaktion, die sie hervorrief, daß sie positiver Art gewesen sein mußte.
    Ich hörte ein Geräusch, wie wenn jemand einem anderen auf die Schulter klopfte, und dann eine dankbare Erwiderung, die mir bis heute in Erinnerung geblieben ist. “Das finde ich schön, Denny, und wie gesagt, du wirst es nie bereuen. In gewissem Sinne mache ich es auch sehr dir zuliebe. Du wirst ein anderer Mensch sein, wenn du das Bild siehst. Es wird dich wieder dorthin bringen, wo du früher warst, dich aufwecken und gewissermaßen retten, aber im Moment kannst du einfach noch nicht verstehen, was ich meine. Denke nur immer an unsere alte Freundschaft und bilde dir nie ein, es hätte sich da bei mir etwas geändert !”
    Ich erhob mich verwirrt, als ich die beiden über den Rasen davongehen sah. Arm in Arm und einträchtig rauchend. Was konnte Marsh mit dieser sonderbaren und beinahe ominösen Versicherung gemeint haben? Je mehr meine Befürchtungen in der einen Richtung zerstreut wurden, um so mehr wurden sie in einer anderen geweckt. Wie ich sie auch drehen und wenden mochte, die Sache wollte mir überhaupt nicht gefallen.
    Dennoch wurden die nötigen Vorbereitungen getroffen. Denis ließ einen Raum unter dem Dach mit einem Atelierfenster versehen, und Marsh bestellte alle möglichen Malerartikel. Alle waren ziemlich begeistert von dem neuen Projekt, und für mich war es eine gewisse Erleichterung, daß wenigstens etwas geschah, was die lastende Spannung ein bißchen löste. Schon bald begannen die Sitzungen, und wir nahmen sie alle recht ernst, denn es war offenkundig, daß Marsh sie als bedeutende künstlerische Ereignisse ansah. Denny und ich bemühten uns in diesen Stunden immer, besonders leise zu sein, wenn wir im Haus umhergingen, als handle es sich um etwas Geheiligtes, und wir wußten ja, daß es für Marsh auch tatsächlich etwas Heiliges
    war.
    Für Marceline war es jedoch etwas ganz anderes, wie ich von Anfang an bemerkte. Wie immer Marshs Reaktionen auf die Sitzungen auch gewesen sein mochten, die ihren waren geradezu peinlich offenkundig. Auf jede erdenkliche Art und Weise ließ sie erkennen, daß sie in den Künstler vernarrt war, und es war auffällig, mit welcher Entschiedenheit sie Denis’ Äußerungen der Zuneigung zurückwies. Eigenartigerweise fiel mir das mehr auf als Denis selbst, und ich versuchte, mir einen Plan
    zurechtzulegen, wie ich dem Jungen seine Seelenruhe erhalten konnte, bis sich die Situation endgültig klären ließ. Soweit es in meinen Kräften stand, wollte ich verhindern, daß er sich allzu sehr über die ganze Sache aufregte.
    Ich kam zu dem Schluß, daß es das beste wäre, Denis aus dem Haus zu haben, solange die unerquickliche Situation andauerte. Ich war durchaus in der Lage, hier seine Interessen zu vertreten, und früher oder später würde Marsh sein Bild ja vollenden und abreisen. Ich hatte nach wie vor eine so gute Meinung von Marsh, daß ich eine Verschlechterung der Situation für ausgeschlossen hielt. Wenn die Geschichte erst einmal

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