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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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das wie eine Aurora flackerte. Dies war das seltsame Licht der inneren Welt, das der Indianer ihm beschrieben hatte, und im nächsten Moment trat Zamacona aus dem Tunnel auf einen öden, steinigen Hügel hinaus, der vor ihm in einen
    undurchdringlichen, bläulich flimmernden Himmel aufragte und unter ihm in eine scheinbar endlose, in bläulichen Nebel gehüllte Ebene auslief.
    Er war endlich in die unbekannte Welt gelangt, und aus seiner Handschrift geht hervor, daß er die formlose Landschaft ebenso stolz und begeistert betrachtete, wie sein Landsmann Balboa den neuentdeckten Pazifik von jenem unvergeßlichen Gipfel in Da-rien aus überblickt hatte. Rasender Büffel hatte an dieser Stelle kehrtgemacht, getrieben von der Angst vor einer Erscheinung, die er nur vage und ausweichend als eine Herde bösartiger Tiere gekennzeichnet hatte, die weder Pferde noch Büffel gewesen seien, sondern vielmehr den Tieren geähnelt hatten, auf denen die Hügelgeister nächtens ritten, aber Zamacona war durch solche Lappalien nicht aus der Ruhe zu bringen. Anstelle von Furcht erfüllte ihn ein Hochgefühl, denn er hatte genug Phantasie, um sich vorzustellen, was es bedeuten mußte, allein in einer unfaßlichen Unterwelt zu stehen, von deren Existenz außer ihm kein Weißer etwas ahnte.
    Der Boden des großen Hügels, der hinter ihm aufragte und vor ihm steil in die Tiefe abfiel, war dunkelgrau, mit Steinen übersät, ohne Vegetation, wahrscheinlich basaltischen Ursprungs und von einer Unwirklichkeit, die Zamacona das Gefühl gab, er befände sich auf einem fremden Planeten. Die riesige, sich in die Ferne erstreckende Ebene Tausende von Fuß unter ihm wies keine erkennbaren Merkmale auf, zumal da sie zum größten Teil in einen wirbelnden bläulichen Dunst gehüllt schien. Aber mehr noch als Hügel oder Ebene oder Dunst beeindruckte der bläulich leuchtende, funkelnde Himmel den Abenteurer. Wodurch dieser Himmel innerhalb einer unterirdischen Welt entstanden war, wußte er nicht zu sagen, obwohl er wußte, was Nordlichter waren, und sie sogar schon ein paarmal mit eigenen Augen gesehen hatte. Er kam zu dem Schluß, dieses unterirdische Licht müßte irgendwie mit der Aurora borealis verwandt sein, eine Ansicht, die auch heute noch plausibel erscheint, obwohl vermutlich auch bestimmte Erscheinungen von Radioaktivität eine Rolle gespielt haben.
    Hinter Zamacona gähnte noch die Öffnung des Tunnels, den er durchquert, eingefaßt mit einer steinernen Tür ähnlich der, durch die er die Oberwelt verlassen hatte, nur mit dem Unterschied, daß sie nicht aus rotem Sandstein, sondern aus grauschwarzem Basalt war. Er erkannte grauenerregende Reliefs, die noch gut erhalten waren und vielleicht denen an dem äußeren Portal, die jedoch weitgehend verwittert waren, entsprachen. Das Fehlen von Verwitterungserscheinungen ließ auf ein trockenes, gemäßigtes Klima schließen, und tatsächlich bemerkte der Spanier die angenehm frühlingshafte Stabilität der Temperatur, die für das Erdinnere typisch ist. An den Türpfosten waren wiederum Spuren ehemaliger Türangeln zu sehen, aber auch hier war die Tür selbst spurlos verschwunden. Zamacona setzte sich, um sich auszuruhen und nachzudenken, und erleichterte sein Gepäck, indem er die für den Rückweg nötige Menge von Lebensmitteln und Fackeln aussonderte. Diesen Vorrat tarnte er mit Steinen, die er aufsammelte und zu einem Haufen aufschichtete. Anschließend setzte er seinen Abstieg in die ferne Ebene fort, darauf gefaßt, in eine Gegend vorzudringen, die seit hundert Jahren kein Lebewesen der Außenwelt mehr betreten hatte, in die nie ein Weißer gelangt war und aus der, falls man den Legenden glauben konnte, kein organisches Lebewesen je an Körper und Geist unversehrt zurückgekehrt war.
    Zamacona schritt zügig den steilen, schier endlosen Abhang hinab und mußte nur manchmal wegen der vielen umherliegenden Steine oder der Steilheit des Geländes langsamer gehen. Die Entfernung der in Dunst gehüllten Ebene muß enorm gewesen sein, denn nach stundenlangem Gehen schien sie nicht näher als zuvor. Hinter ihm ragte nach wie vor der große Hügel in das große Luftmeer eines bläulichen Himmels. Es herrschte Totenstille, so daß seine eigenen Schritte und das Fallen der Steine, die er lostrat, ihm in den Ohren gellten. Es war nach seiner Schätzung etwa Mittag, als er zum erstenmal die ungewöhnlichen Fußspuren erblickte, die ihn an die furchtbaren Andeutungen, die überstürzte Flucht und die

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