Das Grauen im Museum
Erdreich. Es gab hier nicht mehr soviel Steine, und der kahle Berg hinter ihm wirkte unwirtlich und abweisend im Vergleich zu der Umgebung, in der er sich jetzt bewegte.
An diesem Tag sah Zamacona auch die unscharfe dunkle Masse, die sich in der Ferne langsam über die Ebene bewegte. Auf die unheimlichen Fußspuren war er nicht mehr gestoßen, aber irgend etwas an dieser langsam und zielbewußt sich bewegenden Masse war ihm besonders widerwärtig. Nur eine Herde grasender Tiere konnte sich so bewegen, und nachdem er die Spuren gesehen hatte, war er nicht darauf erpicht, auch die Bekanntschaft der Tiere zu machen, die sie hinterlassen hatten. Aber die sich bewegende Masse war ziemlich weit von der Straße entfernt, und seine Neugier und sein Verlangen nach dem sagenhaften Gold waren groß. Und überhaupt, hätte er vielleicht aufgrund der undeutlichen, verworrenen Spuren oder den von panischer Angst gekennzeichneten Erzählungen eines unwissenden Indianers endgültige Schlüsse über Art und Gestalt dieser Tiere ziehen sollen ?
Während Zamacona sich Mühe gab, Einzelheiten der fernen Herde zu erkennen, machte er auch noch mehrere andere interessante Beobachtungen. Die eine betraf die nunmehr zweifelsfrei erkennbaren Städte, in denen bestimmte Objekte seltsam in dem dunstigen blauen Licht glitzerten. Ferner bemerkte er, daß auch außerhalb der Städte mehrere ähnlich glitzernde Gebilde, die jedoch mehr für sich standen, da und dort längs der Straße über die Ebene verstreut waren. Sie schienen von dichter Vegetation umschlossen, und von einigen führten schmale Straßen zu der großen Hauptstraße. Weder die Städte noch die freistehenden Bauwerke wiesen Rauch oder andere Anzeichen von Leben auf. Und schließlich sah Zamacona nun auch, daß sich die Ebene nicht in unbegrenzte Ferne erstreckte, obwohl der blaue Dunst bisher diesen Eindruck hervorgerufen hatte. Vielmehr erhob sich an ihrem jenseitigen Ende eine Kette niedriger Hügel, und auf einen Einschnitt in dieser Hügelkette schienen der Fluß und die Straße hinzuführen. Dies alles, besonders aber das Glitzern mancher Türme in den Städten, war schon sehr deutlich geworden, als Zamacona zum zweitenmal sein Lager unter dem ewig hellen, blauen Himmel aufschlug. Auch bemerkte er jetzt hoch fliegende Schwärme von Vögeln, deren An und Aussehen er ebenfalls nicht zu bestimmen vermochte.
Am nächsten Nachmittag — um die Sprache der Außenwelt zu verwenden, wie es in der Handschrift durchweg geschah — erreichte Zamacona die stille Ebene und überquerte den lautlosen, langsam fließenden Fluß auf einer mit seltsamen Reliefs versehenen, recht gut erhaltenen Brücke aus schwarzem Basalt. In dem klaren Wasser schwammen große Fische von überaus fremdartiger Gestalt. Die Straße war jetzt gepflastert und leicht mit Unkraut und Schlingpflanzen überwachsen, und ihr Verlauf wurde stellenweise durch kleine Säulen mit obskuren Symbolen darauf markiert. Nach beiden Seiten erstreckte sich die grasbewachsene Ebene mit vereinzelten Baumgruppen oder Sträuchern sowie nicht identifizierbaren bläulichen Blumen, die unregelmäßig über das ganze Gebiet verteilt wuchsen. Mitunter verrieten heftig zitternde Gräser, daß es auch Schlangen gab. Nach mehreren Wegstunden erreichte der Reisende einen Hain alter und fremdartig aussehender, immergrüner Bäume, in dem, wie er bereits aus der Ferne entdeckt hatte, eines der isolierten Gebäude mit den glitzernden Dächern stehen mußte. Inmitten der wuchernden Vegetation sah er die mit grauenerregenden Reliefs bedeckten Pfeiler eines steinernen Tores, das von der Straße wegführte, und gleich darauf zwängte er sich durch Dornbüsche oberhalb eines von Moos überwucherten, mit Mosaiksteinchen ausgelegten Weges, der von hohen Bäumen und niedrigen, monolithischen Säulen gesäumt war.
In diesem grünen Dämmerlicht sah er nun endlich die abbrökkelnde und unsagbar alte Fassade des Gebäudes, eines Tempels, wie er zweifelsfrei zu erkennen meinte. Diese Fassade war über und über mit ekelerregenden Reliefs bedeckt, die Szenen und Wesen, Objekte und Zeremonien darstellten, wie sie weder auf diesem noch irgendeinem anderen vernünftigen Planeten einen Platz haben konnten. Bei der Beschreibung dieser Dinge läßt Zamacona zum erstenmal die schockierte und ehrerbietige Zurückhaltung erkennen, die den Informationswert seiner übrigen Handschrift schmälert. Wir können nur bedauern, daß der katholische Eifer im Spanien der
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