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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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die goldene Tür auch schon von außen aufgedrückt wurde.
    Während das große Portal zurückschwang, erblickte Zamacona vor sich eine Gruppe von etwa zwanzig Wesen, deren Aussehen nicht dazu angetan war, ihm Furcht einzuflößen. Sie schienen Indianer zu sein, obwohl ihre geschmackvollen Gewänder, Schmuckstücke und Schwerter nicht von einer Art waren, wie er sie jemals bei Indianern der oberirdischen Welt gesehen hatte. Daß sie ihm nicht mit Feindseligkeit begegnen wollten, war offensichtlich, denn anstatt ihn auf irgendeine Weise zu bedrohen, musterten sie ihn nur aufmerksam und feierlich mit den Augen, als erwarteten sie, allein durch ihre Blicke eine Art Verständigung in Gang bringen zu können. Je länger sie ihn anschauten, um so mehr glaubte er über sie und ihr Begehren zu wissen, denn obwohl keiner seit dem Ruf vor dem öffnen der Tür die Stimme erhoben hatte, begriff Zamacona nach und nach, daß sie aus der großen Stadt hinter den niedrigen Hügeln gekommen waren, auf Reittieren, und daß sie über seine Gegenwart von Tieren unterrichtet worden waren, daß sie nicht genau wußten, was für ein Wesen er war oder woher er kam, daß sie aber einen Zusammenhang mit jener schemenhaft erinnerten äußeren Welt vermuteten, die sie manchmal in ihren sonderbaren Träumen besuchten. Wie es möglich war, daß er dies alles dem Blick der zwei oder drei Führer entnahm, vermochte er sich nicht zu erklären, aber er sollte es schon im nächsten Augenblick erfahren.
    So aber versuchte er zunächst, seine Besucher im Wichita-Dialekt anzureden, den er von Rasender Büffel gelernt hatte, und als er darauf keine gesprochene Antwort erhielt, probierte er es nacheinander mit dem Aztekischen, mit Spanisch, Französisch und Latein, ja schließlich sogar mit Griechisch, Galizisch und Portugiesisch, Sprachen, die er nur sehr unvollkommen beherrschte, sowie mit seinem heimatlichen asturischen Dialekt. Aber nicht einmal mit diesem polyglotten Aufgebot seiner sämtlichen Sprachkenntnisse vermochte er seinen Besuchern eine Antwort zu entlocken. Als er jedoch in seiner Ratlosigkeit verstummte, begann einer seiner Besucher, in einer äußerst merkwürdigen und recht faszinierenden Sprache zu sprechen, deren Laute der Spanier später nur sehr unvollkommen durch Schriftzeichen wiederzugeben vermochte. Als er nichts davon verstand, zeigte der Sprecher zuerst auf seine eigenen Augen, dann auf Zamaconas Stirn und dann wieder auf seine Augen, als wollte er dem Spanier zu verstehen geben, er solle ihn anschauen, um zu begreifen, was er ihm mitteilen wollte.
    Zamacona tat, wie ihm geheißen, und sah sich schon bald im Besitz gewisser Informationen. Dieses Volk, so erfuhr er, verständigte sich ohne gesprochene Sprache durch Gedankenausstrahlung, obwohl es sich früher auch einer
    gesprochenen Sprache bedient hatte, die noch als Schriftsprache erhalten war, aber nur noch aus traditionellen Gründen oder zur spontanen Äußerung von Gefühlen gesprochen wurde. Er verstand seine Besucher, indem er sich einfach auf ihre Augen konzentrierte, und konnte ihnen antworten, indem er sich das, was er sagen wollte, vorstellte und diese Vorstellung in seinen Blick zu legen versuchte. Als der Denker-Sprecher innehielt, offenbar in Erwartung einer Erwiderung, gab sich Zamacona Mühe, die unausgesprochenen Anweisungen zu befolgen, schien jedoch nicht viel Erfolg damit zu haben. Deshalb nickte er und versuchte, sich und seine Reise in Zeichensprache zu beschreiben. Er zeigte nach oben, womit er die Außenwelt meinte, schloß dann die Augen und imitierte die Grabbewegungen eines Maulwurfs. Dann öffnete er die Augen wieder und zeigte nach unten, um seinen Abstieg über den großen Abhang zu bezeichnen. Versuchsweise unterstrich er seine Gesten mit dem einen oder anderen gesprochenen Wort; beispielsweise zeigte er wiederholt auf sich selbst und auf all seine Besucher und sagte »Un hombre«,zeigte dann auf sich selbst allein und sprach sehr deutlich seinen Namen aus, Panfilo de Zamacona.
    Bevor die seltsame Unterhaltung zu Ende war, hatten beide Seiten sehr viel Neues erfahren. Zamacona hatte gelernt, seine Gedanken zu projizieren, und seinerseits mehrere Wörter der archaischen gesprochenen Sprache der Region aufgeschnappt. Ebenso hatten seine Besucher eine Einführung in die Anfangsgründe des Spanischen erhalten. Ihre eigene Sprache war ganz anders als alles, was der Spanier je gehört hatte, doch sollte es später Augenblicke geben, in denen er eine

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