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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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daß mehr Besucher gekommen wären. Was jedoch diejenigen betraf, die gegen das Verbot verstoßen und die Flucht versucht hatten die konnte man nur bedauern. Zamacona selbst war höchst willkommen, denn er schien ein Mensch höherer Ordnung zu sein und viel mehr über die äußere Welt zu wissen als jeder andere, der in jüngerer Zeit herabgekommen war. Er konnte den Unterirdischen viel sagen, und sie hofften, er würde sich damit abfinden, daß er sein Leben lang hier unten bleiben mußte.
    Vieles von dem, was Zamacona in diesem ersten Gespräch über K’n-yan erfuhr, raubte ihm den Atem. Beispielsweise wurde ihm mitgeteilt, daß im Laufe der letzten Jahrtausende Alter und Tod besiegt worden seien, so daß die Menschen nicht mehr hinfällig wurden und nicht mehr starben, außer durch Gewalt oder aus freiem Willen. Durch Regulierung des körperlichen Systems könne jeder physisch so jung und unsterblich sein, wie er wollte, und der einzige Grund, weshalb manche zuließen, daß sie alterten, sei der, daß sie dieses Gefühl in einer Welt der Stagnation und der Banalität schätzten. Wenn sie Wert darauf legten, konnten sie jederzeit wieder jung werden. Geburten gab es keine mehr, außer für experimentelle Zwecke, da für eine Herrenrasse, die die Natur und rivalisierende Lebewesen gleichermaßen beherrsche, eine große Bevölkerung unnütz sei. Viele entschieden sich jedoch nach einer gewissen Zeit für das Sterben, denn trotz der einfallsreichsten Bemühungen, neue Arten von Vergnügen zu erfinden, werde das Leben für empfindsame Seelen mit der Zeit schal, vor allem für diejenigen, in denen Zeit und Übersättigung die urtümlichen Instinkte und Gefühle der Selbsterhaltung abgestumpft hätten. Alle Mitglieder der Gruppe, die Zamacona aufgesucht hatte, seien fünfbis fünfzehnhundert Jahre alt, und mehrere hätten schon früher Besucher aus der oberirdischen Welt
    kennengelernt, doch seien die Erinnerungen mit der Zeit verblaßt. Diese Besucher hätten übrigens oft versucht, es den Unterirdischen an Langlebigkeit gleichzutun, hätten jedoch wegen der unterschiedlichen Evolution der beiden Rassen im Laufe von einer oder zwei Jahrmillionen nur wenig Erfolg damit gehabt.
    Diese Evolutionsunterschiede zeigten sich noch deutlicher im Zusammenhang mit einer anderen Eigenheit, die noch weitaus erstaunlicher war als die Unsterblichkeit. Es war dies die Fähigkeit der Bewohner von K’n-yan, das Gleichgewicht zwischen Materie und körperloser Energie durch schiere Willenskraft selbst dort zu regulieren, wo es um die Körper von Lebewesen ging. Mit anderen Worten, ein gebildeter Bewohner von K’n-yan konnte sich oder, mit einem etwas komplizierteren, aufwendigeren Verfahren, auch jedes andere Objekt -entkörperlichen und wieder verkörperlichen; feste Materie wurde dabei in freie Partikeln aufgelöst, die sich ohne Schaden wieder zusammensetzen ließen. Hätte Zamacona nicht auf das Klopfen seiner Besucher reagiert, dann wäre ihm diese Fähigkeit auf für ihn höchst verblüffende Weise vorgeführt worden. Denn nur die Tatsache, daß der Prozeß mühselig und umständlich war, hielt die zwanzig Männer davon ab, einfach durch die Mauern zu gehen, ohne sich vorher irgendwie bemerkbar zu machen. Diese Kunst war viel älter als die Kunst des ewigen Lebens und konnte einer intelligenten Person bis zu einem gewissen Grade, jedoch nie vollständig, beigebracht werden. Gerüchte darüber waren vor langer Zeit an die Außenwelt gedrungen, und dieses Wissen lebte noch in geheimen Überlieferungen und in Geisterlegenden weiter. Die Bewohner von K’n-yan hatten sich über die primitiven und unvollkommenen Geistergeschichten amüsiert, die ihnen Besucher aus der oberirdischen Welt erzählt hatten. Im praktischen Leben wurde dieses Prinzip auch für gewisse industrielle Zwecke angewandt, doch spielte es keine große Rolle, weil kein besonderer Anreiz zu seiner Anwendung bestand. Überwiegend wurde nur noch im Zusammenhang mit dem Schlaf Gebrauch davon gemacht: Um sich Erlebnisse besonders intensiver Art zu verschaffen, wandten viele Traumkenner das Verfahren bei ihren visionären Wanderungen an. Mit Hilfe dieser Methode brachen manche Träumer sogar zu halbmateriellen Besuchen in ein seltsames, nebelhaftes Reich der Hügel und Täler und des wechselnden Lichts auf, das manche für die vergessene äußere Welt hielten. Sie gelangten auf ihren Reittieren dorthin und durchlebten in einem Zeitalter des Friedens noch einmal die alten,

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