Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
Vom Netzwerk:
hatte, vollauf bestätigt; der schlanke Junge war in aller Stille die Stufen der Wissenschaft mit einer beinahe schwindelerregenden Schnelligkeit und Ausdauer hinaufgeeilt. Mager und asketisch, mit in Stahl gefaßtem Pince-nez und braunem Spitzbart, war Dr. Alfred Clarendon mit fünfundzwanzig bereits eine Autorität und mit dreißig ein international bekannter Wissenschaftler. Da er den praktischen Erfordernissen des Lebens mit der Nachlässigkeit des Genies begegnete, war er auf die Fürsorge und das Organisationstalent seiner Schwester angewiesen und insgeheim dankbar dafür, daß ihre Erinnerungen an James sie vor jeder anderweitigen Bindung bewahrt hatten.

    Georgina führte die Geschäfte und den Haushalt des großen Bakteriologen und war stolz auf seine Fortschritte in der Bekämpfung des Fiebers. Sie ertrug geduldig seine Launen, beschwichtigte seine gelegentlichen Ausbrüche von Fanatismus und bereinigte die Zerwürfnisse mit seinen Freunden, die hin und wieder daraus entstanden, daß er jeden, der sich nicht mit Haut und Haaren der Suche nach der reinen Wahrheit verschrieben hatte, seine unverhohlene Verachtung spüren ließ. Kein Zweifel, Clarendon stieß gewöhnliche Sterbliche oft vor den Kopf, denn er wurde nicht müde, den Dienst am einzelnen im Gegensatz zum Dienst an der Menschheit insgesamt herabzuwürdigen und Gelehrte abzukanzeln, die ihre wissenschaftliche Tätigkeit nicht von häuslichen und anderweitigen privaten Interessen zu trennen vermochten. Seine Feinde nannten ihn einen Langweiler, doch seine Bewunderer, die immer wieder staunten, in welche Ekstasen er sich hineinzusteigern vermochte, schämten sich beinahe, jemals Wünsche und Ambitionen außerhalb der erhabenen Sphäre der reinen Wissenschaft gehabt zu haben. Dr. Clarendon unternahm häufige Reisen, und auf den kürzeren ließ er sich im allgemeinen von Georgina begleiten. Dreimal hatte er jedoch im Zusammenhang mit der Erforschung exotischer Fieberkrankheiten und halblegendärer Seuchen lange, einsame Reisen in seltsame, ferne Gegenden unternommen, denn er wußte, daß die meisten Krankheiten der Erde in den Ländern des geheimnisumwitterten Asien entsprangen. Von jeder dieser Fahrten hatte er merkwürdige Andenken mitgebracht, die seinem Haus ein exzentrisches Gepräge gaben, darunter eine unnötig große Anzahl tibetischer Diener, die er irgendwo in U-Tsang während einer Epidemie aufgelesen hatte, von der die Welt nie etwas erfahren hatte, in deren Verlauf er jedoch den Erreger des Dum-Dum-Fiebers entdeckt und isoliert hatte. Diese Männer, größer als die meisten Tibeter und offenbar von einem in der übrigen Welt kaum bekannten Stamme, waren so hager und dürr, daß man sich fragte, ob der Doktor sie in der Erinnerung an die anatomischen Modelle seiner Studienjahre ausgewählt habe. In den losen schwarzen Seidengewändern, die sie nach Clarendons Wunsch tragen mußten, boten sie einen im höchsten Grade grotesken Anblick, und ihre niemals lächelnden Gesichter und die Lautlosigkeit und Steifheit ihrer Bewegungen ließen sie noch phantastischer erscheinen und gaben Georgina oft das absonderliche, beklemmende Gefühl, in die Welt von Vathekoder von Tausendundeiner
    Nachtversetzt zu sein. Der Seltsamste von allen war jedoch Clarendons rechte Hand und Mädchen für alles, ein Mann namens Surama, den Clarendon von einem langen Aufenthalt in Nordafrika mitgebracht hatte, bei dem er gewisse rätselhafte Fieberkrankheiten studiert hatte, die in Abständen bei den Tuareg in der Sahara vorkamen, deren Abstammung von der urzeitlichen Rasse des versunkenen Atlantis ein altes archäologisches Gerücht ist. Surama, ein Mann von hoher Intelligenz und scheinbar unerschöpflicher Bildung, war ebenso unnatürlich mager wie die tibetischen Diener, und seine dunkle, pergamentähnliche Haut spannte sich so straff über den kahlen Schädel und das bartlose Gesicht, daß jeder Schädelknochen gespenstisch hervortrat — wobei dieser Totenschädel-Effekt noch durch die glanzlos brennenden schwarzen Augen verstärkt wurde, die so tief lagen, daß man normalerweise nur zwei dunkle, leere Höhlen wahrzunehmen meinte. Im Gegensatz zum idealen Untergebenen schien er trotz seiner unbeweglichen Miene Mühe zu haben, seine Gefühle zu verbergen. Man hatte den Eindruck, daß er sich insgeheim ständig über etwas amüsierte, zumal da er mitunter auch noch ein tiefes, gutturales Kichern oder Glucksen von sich gab wie das einer Riesenschildkröte, die eben

Weitere Kostenlose Bücher