Das Grauen im Museum
träumen gewagt hätte, und obwohl die Untergebenen naturgemäß ihren Neid nicht ganz verbergen konnten, mußten sie andererseits wohl oder übel die an Wunder grenzenden Erfolge des großen Mannes anerkennen. Es folgte eine Zeit, in der aus der bloßen Anerkennung durchaus dankbare Ergebenheit hätte werden können, denn eines Morgens kam Dr. Jones mit sorgenvoller Miene zu seinem neuen Vorgesetzten, um ihm zu berichten, daß ein Fall aufgetreten sei, den er als eben jenes Dum-DumFieber diagnostiziert hatte, dessen Erreger Clarendon entdeckt und klassifiziert hatte.
Dr. Clarendon zeigte sich nicht überrascht, sondern setzte seine Arbeit an dem Schriftstück fort, das vor ihm lag.
»Ich weiß«, sagte er ruhig. »Ich habe diesen Fall schon gestern entdeckt. Ich bin froh, daß Sie die Krankheit erkannt haben. Lassen Sie den Mann auf die Isolierstation bringen, obwohl ich nicht glaube, daß das Fieber ansteckend ist.« Dr. Jones, der seine eigenen Ansichten über die Ansteckungsgefahr hatte, war froh über diese Vorsichtsmaßnahme und beeilte sich, die Anordnung auszuführen. Als er wiederkam, erhob sich Clarendon, um nach dem Patienten zu sehen und erklärte Jones, er werde den Fall alleine übernehmen. Der Assistenzarzt, der sich in seiner Hoffnung getäuscht sah, die Methoden des großen Mannes studieren zu können, blickte seinem Vorgesetzten nach, wie dieser alleine zu der Station ging, auf der sich der Patient befand, und sah sich zum erstenmal wieder in seinen Ressentiments gegenüber dem neuen Direktor bestätigt, seit seine anfänglichen Eifersuchtsgefühle aufrichtiger Bewunderung gewichen waren.
Als er die Station erreicht hatte, trat Clarendon hastig ein, warf einen Blick auf das Bett und ging noch einmal vor die Tür, um nachzusehen, wie weit die Neugier Dr. Jones getrieben haben mochte. Als er sah, daß niemand auf dem Korridor war, schloß er die Tür und untersuchte den Kranken. Es handelte sich um einen besonders widerwärtigen Häftling, und er schien Höllenqualen auszustehen. Sein Gesicht war grauenhaft verzerrt, und die Knie hatte er in der stummen Verzweiflung der Todgeweihten scharf angezogen. Clarendon untersuchte ihn genau, zog die fest geschlossenen Augenlider hoch, maß Puls und Temperatur und löste schließlich eine Tablette in Wasser auf und flößte dem Kranken die Flüssigkeit ein. Schon bald war der Höhepunkt des Anfalls überschritten, der Körper entspannte sich, der Ausdruck wurde normal, und der Patient begann leichter zu atmen. Durch leichtes Reiben der Ohren erreichte der Arzt dann, daß der Mann die Augen aufschlug. Es war Leben in ihnen, denn sie bewegten sich hin und her. Aber es fehlte ihnen das feine Feuer, das wir als Spiegel der Seele anzusehen gewohnt sind.
Clarendon lächelte, als er sah, wie friedlich der Patient geworden war und fühlte sich im Besitz einer allmächtigen Wissenschaft. Er hatte schon länger von dem Fall gewußt, und es war ihm gelungen, den Mann durch wenige Minuten Arbeit dem Tod zu entreißen. Noch eine Stunde, und der Patient wäre verloren gewesen; trotzdem hatte Jones die Symptome seit Tagen gesehen, sie aber nicht zu deuten gewußt, und sich dann, als er die Krankheit diagnostiziert hatte, nicht zu helfen gewußt. Doch der Sieg des Menschen über die Krankheit kann nie vollkommen sein. Clarendon versicherte den mißtrauischen Häftlingen, die als Krankenpfleger arbeiteten, die Krankheit sei nicht ansteckend, und ließ den Patienten baden, mit Alkohol abreiben und wieder ins Bett legen. Aber am nächsten Morgen wurde ihm mitgeteilt, der Mann sei nach Mitternacht unter schrecklichen Qualen und mit solchen Schreien und Zuckungen gestorben, daß die Pfleger fast in Panik geraten waren. Der Arzt nahm diese Nachricht mit gewohntem Gleichmut auf, wie immer auch seine Gefühle als Wissenschaftler gewesen sein mochten, und ordnete an, der Patient sei in Kalk zu begraben. Mit einem philosophischen Schulterzucken begann er dann seine gewohnte Morgenvisite.
Zwei Tage später schlug die Krankheit erneut zu. Diesmal waren drei Männer auf einmal betroffen, und es ließ sich nicht mehr verheimlichen, daß eine Dum-DumFieber-Epidemie ausgebrochen war. Clarendon, der so unbeugsam an seiner Theorie festgehalten hatte, das Fieber sei nicht ansteckend, erlitt einen schweren
Autoritätsverlust und geriet auch noch dadurch in Schwierigkeiten, daß die Pfleger
sich weigerten, die Patienten zu versorgen. Aufopferung im Dienste der
Wissenschaft und zum Nutzen
Weitere Kostenlose Bücher