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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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an ähnliche Erscheinungen im Zusammenhang mit der Pest im Mittelalter erinnerte. Haß richtete sich gegen den Mann, der die Krankheit entdeckt hatte und bemüht war, sie einzudämmen, und in ihrem besinnungslosen Rausch vergaß die Öffentlichkeit seine großen Verdienste um die Förderung der wissenschaftlichen Erkenntnis und fachte das Feuer des
    Ressentiments immer nur weiter an. Man hatte den Eindruck, daß die Menschen in ihrer Blindheit den Mann selbst haßten und nicht die Seuche, die ihre von frischen Winden durchwehte und normalerweise gesunde Stadt überfallen hatte.
    Der junge Reporter erlag der Versuchung, mit dem neronischen Feuer zu spielen, das er selbst entfacht hatte, und setzte dem Ganzen die Krone auf. Eingedenk der schimpflichen Behandlung, die er von dem skeletthaften Diener des Arztes erduldet hatte, schrieb er einen meisterhaften Artikel über das Haus und die Umgebung von Dr. Clarendon unter besonderer Hervorhebung von Surama, von dem er sagte, sein bloßer Anblick genüge schon, um auch den Gesündesten fiebern zu lassen. Er bemühte sich, den hageren Gluckser lächerlich und zugleich dämonisch erscheinen zu lassen, wobei ihm letzteres offenbar besser gelang, denn ihn selbst erfaßte jedesmal eine Welle des Abscheus, wenn er nur an die kurzen Augenblicke dachte, da er dieser Kreatur nahe gewesen war. Er sammelte alle Gerüchte, die über den Mann im Umlauf waren, verbreitete sich über dessen angeblich übermenschliche
    Gelehrsamkeit und deutete dunkel an, Dr. Clarendon müsse den Mann in einer gottlosen Gegend des geheimnisvollen, uralten Erdteils Afrika aufgestöbert haben.

    Georgina, die alle Berichte in den Zeitungen aufmerksam verfolgte, litt sehr unter diesen Angriffen auf ihren Bruder, doch James Dalton, der häufig zu Besuch kam, gab sich die größte Mühe, sie zu trösten. In dieser Hinsicht war er warmherzig und aufrichtig, denn er wollte nicht nur die Frau trösten, die er liebte, sondern auch die Verehrung zum Ausdruck bringen, die er immer für das nach den Sternen greifende Genie empfunden hatte, das in seiner Jugend sein bester Freund gewesen war. Er sprach zu Georgina davon, daß Größe stets von Neid begleitet sei, und zählte ihr auf, wie viele überragende Köpfe schon von besinnungslosen Massen in den Schmutz getreten worden seien. Die Angriffe, so argumentierte er, seien der klarste Beweis für die Größe ihres Bruders.
    »Aber sie schaden ihm trotzdem«, erwiderte sie. »Um so mehr, als ich weiß, daß Alf wirklich unter ihnen leidet, so gleichgültig er sich auch geben mag.« Dalton küßte ihr die Hand, eine Geste, die damals in besseren Kreisen noch nicht aus der Mode gekommen war.
    »Auch ich leide darunter, um so mehr, als ich weiß, wie sehr du und Alf darunter leidet. Doch laß den Mut nicht sinken, Georgie, wir werden das mit vereinten Kräften durchstehen!«
    So kam es, daß Georgina sich immer mehr auf die Kraft des stahlharten,
    unnachgiebigen Gouverneurs verließ, der ihre Jugendliebe gewesen war, und sich ihm immer mehr mit ihren Ängsten und Befürchtungen anvertraute. Die Angriffe in der Presse und die Seuche waren nicht das einzige. Auch im Haus gab es Dinge, die ihr gar nicht gefielen. Surama, der sich gegenüber Mensch und Tier gleichermaßen grausam zeigte, flößte ihr unsäglichen Abscheu ein, und sie wurde das Gefühl nicht los, daß er auf irgendeine unerfindliche, heimtückische Art Alfred schaden wollte. Auch die Tibeter konnte sie nicht leiden und fand es äußerst merkwürdig, daß Surama sich mit ihnen verständigen konnte. Alfred wollte ihr nicht sagen, wer oder was Surama war, hatte ihr aber einmal stockend erklärt, er sei viel älter, als man es normalerweise für möglich halten würde, und habe Geheimnisse ergründet und Dinge erlebt, die ihn für jeden Wissenschaftler, der die Rätsel der Natur zu ergründen suche, zu einem unschätzbaren Kollegen machten.
    Ihre Unruhe bewog Dalton zu noch häufigeren Besuchen bei den Clarendons, obwohl er merkte, daß Surama seine Anwesenheit zutiefst mißbilligte. Der gespenstische Knochenmann starrte ihn immer auf ganz eigentümliche Weise aus seinen tiefliegenden Augenhöhlen an, wenn er ihn einließ, und begann oft, wenn er nach dem Besuch das Gartentor hinter ihm schloß, auf eine monotone Weise zu kichern oder zu glucksen, die Dalton schaudern ließ. Dr. Clarendon interessierte sich unterdessen offenbar für nichts außer seiner Arbeit in St. Quentin, wohin er jeden Tag mit dem Boot fuhr,

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