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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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übernatürlich wie seine Kraft war seine Zielsicherheit, die nicht einmal ein Boxchampion hätte übertreffen können. Beide Männer, der Vorsitzende und Dr. Jones, wurden voll getroffen. Der eine mitten ins Gesicht, der andere auf die Kinnspitze. Sie stürzten um wie gefällte Bäume und blieben unbeweglich und bewußtlos liegen. Clarendon jedoch, wieder ganz Herr seiner selbst, nahm Hut und Stock und ging hinaus auf sein Boot, wo ihn Surama erwartete. Erst als er in dem fahrenden Boot saß, gab er der furchtbaren Wut, die ihn verzehrte, hörbaren Ausdruck. Mit verzerrtem Gesicht beschwor er Verwünschungen von den Sternen und den Abgründen hinter den Sternen herab, so daß sogar Surama schauderte, ein altes Zeichen machte, das in keinem Geschichtsbuch enthalten ist, und sogar zu glucksen vergaß.
    Georgina suchte ihren gekränkten Bruder zu besänftigen, so gut sie konnte. Er war geistig und physisch erschöpft nach Hause gekommen und hatte sich auf die Couch in der Bibliothek geworfen. In diesem düsteren Zimmer hatte die treue Schwester Stück für Stück die fast unglaubliche Neuigkeit erfahren. Ihre Tröstungen waren spontan und zärtlich, und sie machte ihm klar, welch einen gewaltigen, wenn auch unbeabsichtigten Tribut an seine Größe die Angriffe, die Verfolgung und die Entlassung darstellten. Er hatte versucht, die Angelegenheit mit dem Gleichmut zu betrachten, den sie predigte, und es wäre ihm wohl auch gelungen, wenn nur seine persönliche Würde im Spiel gewesen wäre. Doch der Verlust seiner
    Arbeitsmöglichkeiten als Wissenschaftler war mehr, als er zu ertragen vermochte, und er seufzte immer wieder bei dem Gedanken, daß er nur noch drei Monate im Gefängnis gebraucht hätte, um endlich das langgesuchte Mittel zu finden, das den endgültigen Sieg über alle fiebrigen Erkrankungen bedeutet hätte.
    Georgina versuchte dann, ihn auf andere Weise aufzuheitern, und sagte ihm, der Anstaltsrat werde sicher wieder nach ihm schicken, falls die Seuche nicht zurückging oder sogar mit neuer Kraft ausbrach. Aber auch das fruchtete nichts, und Clarendon antwortete ihr nur in bitteren, ironischen kleinen Sätzen, deren Tonfall nur allzu klar werden ließ, wie abgrundtief verzweifelt er war.
    »Nachlassen? Wieder ausbrechen? Oh, es wird schön nachlassen! Jedenfalls werden sie denken, es hätte nachgelassen. Die glauben doch alles, egal, was passiert! Ignoranten sehen nun mal nichts, und Pfuscher sind keine Entdecker. Dieser Sorte zeigt die Wissenschaft nie ihr Gesicht. Und die nennen sich Ärzte. Aber das beste ist doch, daß dieser Esel Jones jetzt den Chef spielen will!« Er brach ab und lachte so dämonisch, daß Georgina schauderte.
    Es folgten wahrhaft trübe Tage im Haus der Clarendons. Tiefe, durch nichts zu lindernde Niedergeschlagenheit hatte den sonst so unermüdlichen Geist des Arztes erfaßt, und er hätte sogar die Nahrung verweigert, wenn Georgina sie ihm nicht aufgedrängt hätte. Sein großes Notizbuch mit den Ergebnissen seiner
    Untersuchungen lag ungeöffnet auf dem Tisch in der Bibliothek, und seine kleine goldene Spritze mit Anti-Fieber-Serum, ein von ihm selbst konstruiertes kleines Gerät mit einem Reservoir an einem breiten goldenen Fingerring, das durch einen einzigartigen Druckmechanismus betätigt wurde, lag unbeachtet in einem kleinen Lederkästchen daneben. Energie, Ehrgeiz und das Verlangen nach Forschung und Beobachtung schienen in ihm erstorben zu sein, und er erkundigte sich nicht einmal nach seinem Labor, in dem Hunderte von Bakterienkulturen in ihren säuberlich aufgereihten Phiolen auf ihn warteten.
    Die zahllosen Tiere, die er für seine Versuche hielt, spielten, lebendig und wohlgenährt, in der Frühlingssonne, und wenn Georgina durch das Rosenspalier zu den Käfigen hinausging, empfand sie ein seltsam unpassendes Glücksgefühl. Sie wußte freilich, wie unbeständig dieses Glück sein würde, denn sobald ihr Bruder wieder arbeitete, würden alle diese kleinen Lebewesen zu Märtyrern der
    Wissenschaft gemacht werden. Sie sah deshalb in der Untätigkeit ihres Bruders so etwas wie ein ausgleichendes Moment und redete ihm zu, die Ruhe, die er so bitter nötig hatte, noch eine Zeitlang zu genießen. Die acht tibetischen Diener gingen lautlos umher und verrichteten ihre Arbeit so tadellos wie eh und je. Georgina sorgte dafür, daß die Ordnung im Hause nicht unter dem Nichtstun des Hausherrn zu leiden hatte.

    Clarendon, der seinen Ehrgeiz und seine Forschungen gegen Müßiggang

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