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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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ersten Märzwoche, ein oder zwei Tage nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes, erschien der Vorsitzende des Anstaltsrats in St. Quentin. Clarendon war nicht im Hause, aber Dr. Jones schätzte sich glücklich, den prominenten Besucher -der außerdem sein eigener Onkel war durch die große Krankenstation zu führen, einschließlich der Isolierstation für die Fieberkranken, die durch Presse und Panik so berühmt geworden war. Inzwischen gegen seinen Willen zu Clarendons Glauben bekehrt, daß die Krankheit nicht ansteckend sei, versicherte Jones seinem Onkel lächelnd, er habe nichts zu fürchten und ermunterte ihn, sich die Patienten genau anzusehen, vor allem einen zum Skelett abgemagerten Kranken, der früher ein wahrer Kraftprotz gewesen war und, wie Jones durchblicken ließ, langsam und unter Qualen sterbe, weil Clarendon ihm nicht die richtige Medizin verabreiche.»Willst du damit sagen«, rief der Vorsitzende, »daß Dr. Clarendon sich weigert, dem Mann zu geben, was er braucht, obwohl er weiß, daß er ihm damit das Leben retten könnte?«

    »Genau das«, zischte Dr. Jones, verstummte jedoch jäh, als kein anderer als Clarendon persönlich eintrat. Clarendon begrüßte Jones mit einem kalten Nicken und musterte mit unverhohlenem Mißfallen den Besucher, den er nicht kannte. »Dr. Jones, ich dachte. Sie wüßten, das dieser Patient auf keinen Fall gestört werden darf. Und habe ich nicht angeordnet, daß Besucher nur mit meiner ausdrücklichen Erlaubnis eingelassen werden dürfen?«
    Aber der Vorsitzende mischte sich ein, bevor sein Neffe ihn vorstellen konnte. »Entschuldigen Sie, Dr. Clarendon, aber trifft es zu, daß Sie sich weigern, diesem Mann die Medizin zu verabreichen, die ihn retten würde?«
    Clarendon sah ihn mit eisigem Blick an und antwortete ihm mit stahlharter Stimme.

    »Das ist eine impertinente Frage, Sir. Ich trage hier die Verantwortung, und Besuche sind nicht erlaubt. Bitte verlassen Sie auf der Stelle den Raum.«
    Der Vorsitzende, dem die Situation Spaß zu machen begann, legte mehr Spott und Anmaßung in seine Antwort, als nötig gewesen wäre.
    »Sie irren sich, Sir! Ich, nicht Sie, habe hier zu befehlen. Vor Ihnen steht der Vorsitzende des Anstaltsrats. Ich muß Ihnen außerdem mitteilen, daß ich Ihre Tätigkeit als eine Bedrohung für das Wohlergehen der Häftlinge betrachte und Sie zum Rücktritt auffordern muß. Ab sofort wird Dr. Jones die medizinische Leitung übernehmen, und falls Sie bis zu Ihrer formellen Entlassung noch hierbleiben möchten, müssen Sie sich seinen Anordnungen fügen.«
    Das war Wilfred Jones’ großer Augenblick. Das Leben bescherte ihm nie wieder einen solchen Höhepunkt, und wir sollten es ihm nicht verargen, daß er diesen auskostete. Er war schließlich kein schlechter Charakter, sondern nur ein Durchschnittsmensch, und hatte das Gesetz der Durchschnittsmenschen befolgt, um jeden Preis den eigenen Vorteil wahrzunehmen. Clarendon stand wie vom Donner gerührt und sah den anderen an, als hielte er ihn für verrückt, bis ihn dann der Ausdruck des
    Triumphes auf Dr. Jones’ Gesicht überzeugte, daß tatsächlich etwas passiert sein mußte. Er war von eisiger Höflichkeit, als er antwortete.
    »Ich bezweifle nicht, daß Sie der sind, als der Sie sich ausgeben, Sir. Doch zum Glück kam meine Ernennung vom Gouverneur des Staates und kann deshalb auch nur von ihm widerrufen werden.«
    Der Vorsitzende und sein Neffe starrten ihn verblüfft an, denn solche Weltfremdheit hatten sie nicht für möglich gehalten. Dann erfaßte der ältere Mann die Situation und erklärte ausführlich die Zusammenhänge.
    »Wenn sich herausgestellt hätte, daß die laufenden Berichte Ihnen unrecht tun«, schloß er, »hätte ich die Maßnahme noch hinausgeschoben. Aber der Fall dieses bedauernswerten Mannes und Ihr arrogantes Auftreten lassen mir keine Wahl. Tatsache ist nun mal …« Aber Dr. Clarendon unterbrach ihn mit schneidender Stimme.
    »Tatsache ist nun mal, daß ich hier der Direktor bin, und ich muß Sie auffordern,
diesen Raum sofort zu verlassen.«
Der Vorsitzende wurde rot vor Wut und explodierte.
    »Was glauben Sie, wen Sie vor sich haben? Ich werde Sie hinauswerfen lassen. Unverschämtheit!«
    Aber er konnte nur noch diesen Satz sagen. Durch die Beleidigung jählings in ein Bündel Haß verwandelt, schlug der schlanke Wissenschaftler mit beiden Fäusten in einem Ausbruch übernatürlicher Kraft zu, deren ihn niemand für fähig gehalten härte. Und ebenso

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