Das Grauen im Museum
erwachsener Mensch verehrt, ist Wahrheit Wissen Wissenschaft Licht -das Zurückziehen des Vorhangs und das Aufhellen der Schatten. Der Moloch Wissen! Es ist Tod in unserem eigenen Ritual. Wir müssen töten, sezieren, zerstören, und alles der Entdeckung zuliebe, der Hingabe an das unsagbare Licht. Die Göttin
Wissenschaft verlangt es. Wir testen ein unbekanntes Gift, indem wir töten. Wie sonst? Kein Gedanke an das Selbst nur Wissen -wir müssen herausbekommen, welche Wirkung es hat.« Er verstummte, offenbar erschöpft, und Georgina schauderte leicht. »Aber das ist ja schrecklich, Alf! So kann man es doch nicht sehen!«
Clarendon lachte sardonisch in sich hinein, auf eine Art, die bei seiner Schwester abscheuliche Assoziationen hervorrief.
»Schrecklich? Du meinst, was ichsage, ist schrecklich? Da solltest du erst Surama hören! Ich sage dir, die Priester von Atlantis hatten Kenntnis von Dingen, bei deren bloßer Erwähnung du vor Angst sterben würdest. Ihr Wissen war das Wissen einer Zeit vor hunderttausend Jahren, als unsere eigenen Vorfahren noch als sprachlose Halbaffen in Asien herumschlurften! Und in der Hoggar-Region gibt es heute noch Menschen, die etwas davon wissen. Auch im entlegeneren Hochland von Tibet raunt man sich manches zu. Und ich habe einmal erlebt, wie ein alter Chinese Yog-Sothoth beschwor …«
Er wurde blaß und machte mit ausgestrecktem Zeigefinger ein seltsames Zeichen in die Luft. Georgina war nun ernstlich beunruhigt, atmete jedoch etwas auf, als er nicht mehr ganz so phantastisch fortfuhr.
»Ja, vielleicht ist es schrecklich, aber es ist auch wundervoll. Das Streben nach Wissen, meine ich. Unordentliche Gefühle haben darin keinen Platz. Tötet die Natur nicht auch, unablässig und unbarmherzig, und sind Narren nicht die einzigen, die sich
über diesen Kampf auf Leben und Tod entsetzen? Töten ist notwendig. Es ist die Apotheose der Wissenschaft. Wir lernen etwas daraus, wenn wir töten, und wir können die Sentimentalität nicht über das Lernen stellen. Hör dir doch nur an, wie die Gefühlsduseligen gegen die Impfung wettern! Sie fürchten, ihr Kind könnte daran sterben. Und wenn schon, sollten wir uns dadurch abhalten lassen ? Wie können wir sonst die Gesetze der betreffenden Krankheit entdecken? Als Schwester eines Wissenschaftlers solltest du es wirklich besser wissen und nicht Sentimentalität predigen. Du solltest mir bei meiner Arbeit helfen, anstatt mich zu behindern!« »Aber AI«, verwahrte sich Georgina, »ich habe nicht die leiseste Absicht, dich an deiner Arbeit zu hindern. Habe ich mir nicht immer Mühe gegeben, dir nach Kräften zu helfen? Gewiß, ich weiß zu wenig, um deine Mitarbeiterin zu sein, aber immerhin bin ich stolz auf dich, stolz für mich selbst und stolz für unsere Familie, und habe immer versucht, dir den Weg zu ebnen. Du hast mir das oft selbst gesagt.« Clarendon sah ihr unverwandt ins Gesicht.
»Ja!« sagte er brüsk, als er aufstand und aus dem Zimmer ging. »Du hast schon recht. Du hast dich immer bemüht, mir zu helfen, so gut du konntest. Vielleicht bekommst du eine Gelegenheit, mir noch mehr zu helfen.«
Georgina, die ihn zur Haustür hinausgehen sah, folgte ihm in den Garten. In einiger Entfernung stand eine Laterne zwischen den Bäumen, und während sie darauf zugingen, sahen sie Surama, der sich über ein längliches, auf der Erde liegendes Objekt beugte. Clarendon gab nur ein undefinierbares Geräusch von sich, aber als Georgina sah, was es war, rannte sie schreiend darauf zu. Es war Dick, der große Bernhardiner, und er lag mit geröteten Augen und heraushängender Zunge reglos da.
»Er ist krank, Alf!« rief sie. »Tu etwas, schnell!«
Der Arzt sah Surama an, der etwas in einer für Georgina unverständlichen Sprache gesagt hatte. »Bring ihn ins Labor«, befahl er. »Ich fürchte, Dick ist von der Seuche befallen.«
Surama packte den Hund, so wie er tags zuvor den armen Tsanpo gepackt hatte, und trug ihn schweigend in das Laborgebäude. Diesmal lachte er nicht, sondern warf einen Blick auf Clarendon, aus dem wirkliche Angst sprach. Georgina hatte fast den Eindruck, Surama wollte den Arzt bitten, das Tier zu retten.
Clarendon machte jedoch keine Anstalten, ihm zu folgen, sondern blieb noch einen Moment stehen und schlenderte dann langsam zum Haus zurück. Empört über diese Gefühllosigkeit, bestürmte Georgina ihn mit Bitten, doch vergeblich. Ohne ihrem Flehen die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, strebte er
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