Das Grauen im Museum
würden die echte Rolle aufbewahren, den wahren, wirksamen Zauber, und sie von einem Hohepriester an den nächsten weitergeben, bis zu dem fernen Zeitpunkt, an dem es vielleicht nötig sein würde, dem Teufelsgott Widerpart zu bieten. So konnte Imash-Mo beruhigt Schlafengehen, nachdem er die echte Rolle in einen neuen Zylinder gesteckt hatte.
Im Morgengrauen des Tages der Himmelsflammen (eine Bezeichnung, die von Junzt nicht erläutert) brach T’yog unter den Gebeten und Gesängen des Volkes und mit König Thabous Segen zur Besteigung des gefürchteten Berges auf, mit einem Stock aus Tiathholz in der rechten Hand. In seinem Gewand steckte der Zylinder mit der vermeintlich zauberkräftigen Schriftrolle, denn er hatte den Betrug tatsächlich nicht bemerkt. Und auch die Tatsache, daß Imash-Mo und die anderen Priester Ghatanothoas für seine wohlbehaltene Rückkehr beteten, machte ihn nicht mißtrauisch.
Den ganzen Vormittag standen die Menschen und sahen zu, wie sich T’yogs immer kleiner werdende Gestalt die gemiedenen Basaltwände hinauf entfernte, die noch keines Menschen Fuß betreten hatte, und viele standen auch noch da und schauten, lange nachdem er auf einem schmalen Felsband um den Berg herumgegangen und außer Sicht geraten war. In dieser Nacht meinten einige empfindsame Träumer, ein schwaches Beben zu verspüren, das den verhaßten Berg erschütterte, doch als sie davon erzählten, wurden sie nur verlacht. Am folgenden Tag stand eine große Menschenmenge betend am Fuß des Berges und fragte sich, wann T’yog zurückkehren würde. Und das gleiche taten sie auch am folgenden und am übernächsten Tag. Wochenlang hofften und warteten sie, und dann weinten sie. Doch T’yog, der die Menschheit hatte erretten wollen, ward nie mehr gesehen. Von da an schauderten die Menschen über T’yogs Anmaßung und versuchten, nicht an die Strafe zu denken, die ihn für seine Gottlosigkeit ereilt haben mochte. Und die Priester Ghatanothoas lächelten nur über diejenigen, die den Willen des Gottes beklagten oder sein Recht auf die Menschenopfer in Frage stellten. In späteren Jahren erfuhr das Volk von der List Imash-Mos, doch änderte dies nichts an der vorherrschenden Meinung, daß man Ghatanothoa besser in Frieden lassen solle. Niemand wagte es mehr, sich gegen ihn aufzulehnen, und so zogen die Epochen vorüber, und König folgte auf König, Hohepriester auf Hohepriester, und Völker erstanden und gingen unter, und Länder tauchten aus dem Meer auf und sanken wieder zurück. Und nach vielen Jahrtausenden setzte der Verfall von K’naa ein, bis schließlich an einem schrecklichen Tag inmitten von Sturm und Unwetter, schaurigem Grollen und berghohen Wogen das ganze Land Mu für immer im Ozean versank.
Doch die uralten Geheimnisse gingen nicht unter, sondern pflanzten sich fort in
spätere Epochen. In fernen Ländern trafen sich graugesichtige Flüchtlinge, die das Toben des Seeungeheuers überlebt hatten, und fremde Himmel tranken den Rauch von Altären, die entschwundenen Göttern und Dämonen errichtet wurden. Obwohl niemand wußte, in welch bodenlose Tiefen der heilige Berg und die zyklopische Festung des gefürchteten Ghatanothoa gesunken waren, gab es immer noch Menschen, die seinen Namen murmelten und ihm unaussprechliche Opfer brachten, damit er nicht aus den Tiefen des Ozeans auftauche und Schrecken und Versteinerung über die Menschheit bringe.
Um die verstreuten Priester bildeten sich die Anfänge eines dunklen Geheimkults geheim deshalb, weil die Menschen der neuen Länder andere Götter und Teufel hatten und von den Älteren und Fremden nur Schlechtes dachten -, und innerhalb dieses Kults geschahen viele schaurige Dinge und wurden viele merkwürdige Objekte verehrt. Es ging die Sage, daß eine gewisse Gruppe verschwiegener Priester noch immer den wahren Zauber gegen Ghatanothoa hütete, den Imash-Mo dem schlafenden T’yog entwendet hatte, obwohl niemand mehr die kryptischen Silben lesen oder verstehen oder auch nur mutmaßen konnte, in welchem Teil der verlorenen Welt von K’naa der gefürchtete Berg Yaddith-Gho und die titanische Festung des Teufelsgottes gestanden hatten.
Obwohl der Kult vor allem in den Gegenden des Pazifiks florierte, in denen einst Mu gelegen hatte, gab es Gerüchte über den geheimen und verabscheuungswürdigen Ghatanothoa-Kult auch im unglücklichen Atlantis und im gefürchteten Hochland von Leng. Von Junzt deutete an, daß er auch in dem sagenhaften unterirdischen Königreich
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