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Das grobmaschige Netz - Roman

Das grobmaschige Netz - Roman

Titel: Das grobmaschige Netz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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auch das »nicht«.
    Wie fehlt sie mir nicht ?
    Noch seltsamer. Je länger er diese Frage betrachtete, umso bedeutsamer wurde ihr Inhalt, nicht umgekehrt, wie zu erwarten gewesen wäre. Er lächelte und konzentrierte sich, und er ließ den Satz nicht für eine Sekunde aus den Augen, während tief unten in seinem Unterbewusstsein die Antwort schon Gestalt annahm.

    So, wie mir auch die entschwundene Zeit nicht fehlt.
    So, wie ich das Frühere jetzt nicht begehre.
    Wenn ich freigesprochen werde oder irgendwann Hafturlaub habe, dachte er, werde ich zu ihrem Grab gehen und dasitzen. Mit Zigaretten und mit Wein.
    Schuld, Strafe, Gnade. Schuld, Strafe, Gnade. Was spielt es für eine Rolle, ob man für etwas anderes bestraft wird?
    Verurteilt mich! Verurteilt mich streng, aber lasst es schnell gehen!
     
    Er ließ den Stift fallen. Kroch auf der Pritsche in sich zusammen, zog die Knie an und schob die Hände dazwischen wie ein kleines Kind. Er schloss die Augen und ließ die Bilder kommen...
    Der 29. Juni, Donnerstag.
    »Weißt du, was mir heute passiert ist, Janek?«, hatte sie gefragt. »Ich habe einen Antrag bekommen.«
    Sein Blut erstarrte, sein Lächeln wurde zu Zement.
    »Ja, als ich auf den Bus wartete, kam ein wildfremder Mann und fragte, ob ich ihn heiraten wollte. Manche nutzen eben den Augenblick.«
    »Und was hast du gesagt?«
    »Dass ich mir die Sache überlegen würde.«
    Sie hatte auch gelacht, aber er wusste, dass ihr Schoß weit offen war und dass sie Blut zwischen den Zähnen hatte.
    »Wir heiraten, Eva.«
    So war das gewesen.
    Er presste die Stirn gegen die Wand.
    Wie fehlte sie ihm nicht?
    So, wie uns auch das Unerträgliche nicht fehlt.
    So, wie einem jungen Tiger sein eigener Tod nicht fehlt.
     
    Dieser Mann.
    Den es gab. Den es nicht gab.

    Der anrief und auflegte, wenn Mitter sich meldete.
    Mit dem sie sprach, wenn er nicht zu Hause war.
    Den es nicht gab, und von dem sie Albträume hatte. Der sie sagen ließ: »Wenn ich bald sterbe, dann verzeih mir, Janek! Verzeih mir, verzeih mir!«
    Den sie immer wieder verleugnet hatte.
    »Es gibt keinen anderen Mann, Janek. Es gibt keinen anderen. Es gibt nur dich und mich, Janek! Glaub mir, glaub mir, glaub mir!«
    Das war so verdammt theatralisch, dass es die Wahrheit sein musste. Denn sicher waren doch Blut und Schmerz und Tod die Wahrheit ... und keine Lüge. Und wenn ihr Geschlecht ihn umschloss, konnte das nur die Wahrheit sein. Es gab keine Fragen. Es musste Stärke sein, keine Schwäche. Schuld und Strafe und Gnade hatten hierbei nichts zu suchen.
    Vergiss mich! Lass uns einander vergessen, wenn wir nicht mehr da sind! Ob wir jemals so lieben könnten, als ob es keinen Tod gäbe?
    Worum ging es bei Ihrem Streit?
    Worüber haben Sie sich auf dem Balkon unterhalten?
    Er schlug mit dem Kopf gegen die Wand. Gähnte ausgiebig und weinte.

16
    »Darf ich um Ihren vollständigen Namen bitten?«
    »Gudrun Elisabeth Traut.«
    »Beruf?«
    »Lehrerin für Deutsch und Englisch am Bunge-Gymnasium.«
    »Sie sind eine Kollegin von Janek Mitter und Eva Ringmar?«
    »Jein. Ich bin eine Kollegin von Mitter. Und war eine von Ringmar.«

    »Natürlich. Sind Sie ... waren Sie mit den beiden näher bekannt?«
    »Nein, das würde ich nicht behaupten. Ich bin schon ungefähr so lange wie Herr Mitter an der Schule, aber wir unterrichten nicht dieselben Fächer. Wir haben nie viel miteinander zu tun gehabt.«
    »Und Eva Ringmar?«
    »Die ist vor zwei Jahren dazugekommen, als Herr Monsen in Pension gegangen ist. Wir haben beide im sprachlichen Zweig gearbeitet.«
    »Haben Sie einander nahe gestanden?«
    »Nein, wirklich nicht. Wir haben an denselben Konferenzen teilgenommen, hatten bisweilen gemeinsam Prüfungen, haben uns gegenseitig vertreten, wenn eine krank war, das machen wir immer so bei uns.«
    »Aber in Ihrer Freizeit hatten Sie nichts mit ihr zu tun?«
    »Mit Eva Ringmar?«
    »Ja.«
    »Nein. Nie.«
    »Wissen Sie, ob Frau Ringmar sich mit anderen Kollegen getroffen hat ... außerhalb der Unterrichtsstunden, meine ich?«
    »Nein, ich glaube nicht ... nur mit Herrn Mitter, natürlich.«
    »Natürlich. Frau Traut, ich komme jetzt auf etwas zu sprechen, das Sie der Polizei gegenüber erwähnt haben, es geht um den Montag, den 30. September, das war fünf Tage vor dem Mord an Eva Ringmar.«
    »Sie meinen unser Gespräch im Lehrerzimmer?«
    »Ja.«
    »Gern ... das war nach der letzten Stunde. Ich hatte eine Deutschklausur schreiben lassen und die Zeit ein wenig

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