Das grobmaschige Netz - Roman
bin.«
Sie nahm ihm seine Jacke ab und führte ihn ins Wohnzimmer. Stellte ihm ihre beiden Kinder vor, einen Jungen von vier oder fünf und ein Mädchen von vielleicht zwei; er schaffte es schon lange nicht mehr, bei so kleinen Kindern das Alter exakt zu schätzen.
Sie blieb vor der Treppe stehen und rief etwas nach oben, und eine Stimme antwortete: »Schon unterwegs.« Frau Berger bat Van Veeteren, in einem Bambussessel Platz zu nehmen, der zu einer kleinen Sitzgruppe vor dem Kamin gehörte. Die Kinder musterten den Gast verstohlen und beschlossen dann, ihrer Mutter zu folgen.
Für einige Minuten war Van Veeteren nun allein. Er konnte feststellen, dass das Haus der Familie Berger auf jeden Fall nicht von Geldmangel geprägt war. Das Haus lag für sich am Ortsrand, die Nachbarn waren angenehm weit weg, gleich hinter dem Garten begannen die Felder und Wiesen. Über das Äußere hatte er sich kein richtiges Bild machen können, die Einrichtung jedenfalls zeugte von gutem Geschmack und den Mitteln, diesen zu befriedigen.
Vielleicht bereute er kurz, die Einladung angenommen zu haben. Es war nicht gerade ideal, den Gastgeber während des Abendessens zu verhören. Man beißt nicht gern in die Hand, die einen füttert, dachte er, es ist viel leichter, jemanden über einen wackligen Kunststofftisch in einer dreckigen Arrestzelle hinweg zu betrachten.
Aber es würde schon klappen. Er wollte diesen Andreas Berger ja schließlich nicht ins Kreuzverhör nehmen, obwohl es ihm vielleicht nicht leicht fallen würde, sich dieses Vergnügen zu versagen. Er war hergekommen, um sich ein Bild zu machen... das war doch sicher alles? Denn er hatte zwar allen Respekt vor Münsters Einschätzung, wesentlich mehr sogar,
als Münster sich überhaupt vorstellen konnte, aber es gab doch immer die winzige Chance, die Möglichkeit, dass er selber noch etwas entdeckte. Etwas, das sich vielleicht nur mit einem ganz bestimmten Sinn entdecken ließ, mit einer gewissen Intuition oder vielleicht einer ganz besonderen pervertierten Fantasie. . .
Und auf jeden Fall sahen vier Augen eben mehr als zwei.
Dieser Junge hier zum Beispiel ... war der nicht eigentlich ziemlich alt? Wäre es nicht eine Idee, den Zeitpunkt zu überprüfen, wenn sich das machen ließ ... denn wenn es zutraf, dass die neue Frau Berger, deren Namen er nicht einmal wusste, schon schwanger gewesen war, als Herr Berger von seiner ersten Frau gar nicht geschieden war ... ja, das musste dann doch irgendetwas zu bedeuten haben.
Andreas Berger sah ungefähr so aus, wie er sich das vorgestellt hatte. Durchtrainiert, lässig, um die vierzig; Polohemd, Jackett und Cordhose. Ein bisschen wie eine intellektuelle Erscheinung.
Der Prototyp des Erfolges, dachte Van Veeteren. Könnte in jedem Werbefilm auftreten. Von Haarwasser und Deos bis zu Hundefutter und Rentenversicherungen. Wie angenehm.
Das Essen dauerte anderthalb Stunden. Die Konversation war schlicht und salonfähig, nach dem Dessert zogen Kinder und Gattin sich zurück. Die Herren setzten sich in die Bambussessel. Berger bot dies und jenes an, Van Veeteren aber begnügte sich mit einem dünnen Whisky und einer Zigarette.
»Ich muss ja nachher den Weg zum Hotel finden«, erklärte er.
»Warum übernachten Sie nicht einfach bei uns? Wir haben wirklich Platz genug.«
»Das bezweifle ich auch gar nicht«, sagte Van Veeteren. »Aber ich habe mich schon angemeldet, und ich schlafe lieber da, wo meine Zahnbürste sich befindet.«
Berger zuckte mit den Schultern.
»Und ich muss morgen ziemlich früh los«, sagte Van Veeteren. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, jetzt zur Sache zu kommen?«
»Natürlich nicht. Schießen Sie los. Wenn ich Ihnen auf irgendeine Weise helfen kann, Licht in diese entsetzlichen Ereignisse zu bringen, dann bin ich natürlich gern dazu bereit.«
»Wie haben Sie festgestellt, dass Eva Sie betrogen hat?«, fragte Van Veeteren als Erstes.
Es war ein Schuss ins Blaue, aber er sah sofort, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Berger fuhr dermaßen zusammen, dass der Eiswürfel, der zu seinem Glas unterwegs gewesen war, auf dem Boden landete.
»Verdammt«, sagte er und machte sich am Flauschteppich zu schaffen.
Van Veeteren wartete geduldig.
»Was, zum Teufel, wollen Sie denn damit sagen?«
Das war so dilettantisch, dass Van Veeteren fast losgeprustet hätte. »Sind Sie von selbst dahintergekommen, oder hat sie es erzählt?«, fragte er.
»Ich weiß nicht, wovon Sie da reden, Herr
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