Das grobmaschige Netz - Roman
Van Veeteren. »Und wie viele von denen sind in den letzten Jahren eingestellt worden?«
Münster wartete drei Sekunden.
»Keiner«, sagte er dann. »Der letzte ist vor vierzehn Jahren dazugekommen.«
»Verdammt«, sagte Van Veeteren.
34
»Hier stimmt irgendetwas nicht.«
»Hier stimmt alles Mögliche nicht, möchte ich meinen«, sagte Münster.
Für Münsters Verhältnisse war das fast schon eine Frechheit, aber Van Veeteren ließ sie durchgehen. Er war plötzlich nur noch müde ... ein müder Ochse, der in einem Sumpf versank.
Wo kamen solche Bilder eigentlich her? Wahrscheinlich aus irgendeinem Buch. Er glotzte unlustig seine Aufzeichnungen an. Wo verbarg sich denn bloß der Irrtum?
Oder war alles ein Irrtum, so, wie Münster angedeutet hatte?
Oder ging es nur um ein Detail?
Münster seufzte auf und schaute auf die Uhr.
»Was machen wir jetzt?«, fragte er. »Die Alibis unter die Lupe nehmen?«
»Nein«, sagte Van Veeteren. »Ein oder zwei werden bestimmt platzen, aber die Bunge-Leute müssen wir jetzt erst mal in Ruhe lassen... ausdrücklicher Befehl. Der Elternrat wird die Schüler zu Hause festhalten, wenn wir da noch einmal auftauchen. Suurna hat schon siebzehn Mal bei Hiller angerufen.«
»Ach«, sagte Münster. »Dann weiß ich wirklich nicht ...«
»Holt Rooth wieder her«, sagte Van Veeteren.
Münster erhob sich.
»Ach, übrigens, lass mich lieber zuerst eine halbe Stunde in Ruhe.«
Münster machte den Mund auf und wollte etwas sagen, der Hauptkommissar jedoch drehte sich mit seinem Stuhl um und kehrte ihm den Rücken zu.
In neunzehn Fällen war er sich sicher. Beim zwanzigsten ...
Unter zerbrochenen und zerkauten Zahnstochern lag sein Terminkalender, und der erregte nun langsam seine Aufmerksamkeit.
Noch neunundsechzig Tage bis zum Heiligen Abend, rechnete er aus.
Neunzehn junge Mädchen lagen dem Leutnant zu Füßen ...
Wie viele Überstunden er wohl abstottern könnte?
Bei der Zwanzigsten holte er sich einen Tripper ... nein, einen Korb ...
Vermutlich genug, um sich für den Rest des Jahres freizunehmen.
Die Einundzwanzigste brachte ihn ums Leben ...
Was machte er hier eigentlich? Was für Dinge gingen ihm
wieder durch den Kopf und lenkten ihn ab? Wollte er aufgeben?
Glaubte er denn ... ?
Sein Entschluss stand plötzlich fest. Er sah sich in einem Liegestuhl auf einer Dachterrasse ... Casablanca. Schon in wenigen Tagen könnte er dort sitzen. Eine lauschige Brise, ein Buch und ein Glas Weißwein... warum sich einbilden, dass ihre ehrgeizigen Spekulationen irgendein Ergebnis erzielen würden?
Aber musste er nicht...? War er es Mitter nicht schuldig, diesen Fall zu klären? Wie im Dezember in Nordafrika wohl die Temperaturen sein mochten? Vermutlich nicht gerade hinreißend. . . kalte Böen aus der Sahara und wer weiß, was sonst noch alles ...
Bei Nummer einundzwanzig hatte er sich geirrt!
Wurden die Chancen größer, wenn jemand anders diesen Fall übernahm?
Australien! Jetzt hatte er es. Was hatte Caen noch gesagt?
Fünfundzwanzig Grad. Zitronenblüten? Australien...
Er wählte Hillers Nummer.
»Ich möchte diesen Fall Münster übertragen. Ich habe mich festgefahren.«
»Den Teufel wirst du tun«, sagte Hiller.
»Ich bin alt und müde«, sagte Van Veeteren.
»Quatsch!«
»Ich habe Rückenschmerzen.«
»Du sollst mit dem Kopf arbeiten, nicht mit dem Rücken. Ja verdammt, du hast doch sechs Mann unter dir.«
»Ich will nach Australien fahren.«
Hiller schwieg kurz.
»Na gut«, sagte er dann. »Von mir aus gern. Schnapp diesen Typen, dann kannst du einen Monat Urlaub nehmen ... sagen wir, du hast noch sechs Tage? Ich habe im Fernsehen
versprochen, dass wir ihn innerhalb von zwei Wochen haben. Donnerstags gibt es einen Direktflug nach Sydney.«
Van Veeteren dachte nach. Legte den Hörer auf den Tisch und blätterte wieder in seinem Kalender.
»Bist du noch da?«
»Ja«, sagte Van Veeteren.
»Und?«
»Na gut«, seufzte Van Veeteren. »Aber wenn ich am Mittwoch nicht fertig bin, kannst du mein Kündigungsschreiben erwarten. Und diesmal ist es ernst. Morgen werde ich den Flug buchen.«
Er legte auf, um Hiller nicht das letzte Wort zu lassen. Sah noch einmal seine Notizen durch. Dann riss er sie aus dem Block und warf sie in den Papierkorb.
Noch sechs Tage, dachte er. Und konnte Nummer einundzwanzig denn überhaupt bestraft werden?
Rooth setzte sich auf den Stuhl, den er vor einer halben Stunde verlassen hatte.
»Was habt ihr außer den
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