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Das große Doppelspiel

Das große Doppelspiel

Titel: Das große Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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der Familie, für das sie etwas fühlte, der Familie
mütterlicher­ seits und väterlicherseits, war ihre Tante
Hortense, aber sie war natürlich etwas Besonderes.
    Sie öffnete das Fenster und rief: »Major
Osbourne fährt gleich zurück nach London. Er hat mir
angeboten, mit ihm zu fahren.«
    Er blickte hoch. »Sehr freundlich von ihm. Ich an deiner Stelle würde es tun.«
    Er sah auf einmal zehn Jahre älter aus als noch
vor einer Stunde. Als ob er seiner geliebten Anne-Marie ins Grab folgen
wollte. Sie schloß das Fenster, blickte sich noch einmal in
ih­ rem Zimmer um, nahm ihren Koffer und ging hinaus. Craig
Osbourne saß auf einem Stuhl an der Haustür. Er stand auf
und nahm ihr wortlos den Koffer ab. Mrs. Trembath kam, sich wie­
der die Hände an der Schürze abwischend, aus der Küche.
    »Ich fahre jetzt«, sagte Geneviève. »Geben Sie bitte auf ihn acht.«
    »Habe ich das nicht immer getan?« Sie gab
Geneviève einen Kuß auf die Wange. »Leben Sie wohl,
Kind. Dies ist nicht der richtige Platz für Sie … Ist es
nie gewesen.«
    Craig schritt zum Auto und legte ihren
Koffer auf den Rück­ sitz. Sie atmete tief ein und ging zu
ihrem Vater. Er blickte auf, und sie küßte ihn auf die
Wange. »Ich weiß nicht, wann ich wiederkomme. Ich werde dir
schreiben.«
    Er nahm sie in die Arme und drückte sie fest an
sich, und dann wandte er sich rasch ab. »Geh wieder in dein
Kranken­ haus, Geneviève. Tu etwas Gutes für die, denen
noch geholfen werden kann.«
    Da ging sie zum Wagen und war sich, ohne daß
noch ein Wort gefallen wäre, eines merkwürdigen Gefühls
der Erleichte­ rung, mehr noch, der Erlösung bewußt. Es
mußte daher kom­ men, daß er sie auf diese Weise
zurückgewiesen hatte, befrie­ digender konnte sie es nicht
analysieren. Craig half ihr beim Einsteigen, machte die Tür zu,
setzte sich ans Steuer und fuhr los.
    Nach einer Weile sagte er: »Alles in Ordnung?«
    »Würden Sie mich für verrückt
halten, wenn ich Ihnen sagte, daß ich mich eben zum erstenmal
seit Jahren ganz frei gefühlt habe?« erwiderte sie.
    »Nein. Da ich Ihre Schwester gut kannte, ist es
nach all dem, was ich heute morgen bei Ihnen gesehen und gehört
habe, auf irgendeine absurde Weise vollkommen logisch.«
    »Wie gut haben Sie sie eigentlich
gekannt?« fragte Geneviè­ ve. »Waren Sie und
Anne-Marie ein Paar?«
    Craig lächelte ein wenig. »Sie erwarten doch nicht wirklich, daß ich darauf antworte?«
    »Warum nicht?«
    »Verdammt, ich weiß nicht. Paar und Liebe
wären die fal­ sche Bezeichnung. Anne-Marie hat ihr Leben lang
nie jeman­ den geliebt, außer sich selbst.«
    »Das stimmt, aber das meine ich nicht. Ich meine das Sexu­ elle.«
    Er war einen Moment lang wütend, dann zuckte ein Muskel
    in seiner Wange. »Meinetwegen, meine Dame, ich habe ein-
oder zweimal mit Ihrer Schwester geschlafen. Geht es Ihnen jetzt
besser?«
    Sie saß mit abgewandtem Gesicht da, und die
nächsten zehn Kilometer wechselten sie kein Wort mehr.
Schließlich holte er seine Zigaretten aus der Tasche. »Die
Dinger sind manchmal sehr nützlich.«
    »Nein, danke.«
    Er zündete sich eine an und kurbelte das Fenster
ein paar Zentimeter herunter. »Ihr Vater … Was ist er
eigentlich für ein Mensch? Lebt dort als einfacher Landarzt, aber
auf dem Schild an der Pforte steht, daß er ein Mitglied des
Königlichen Ärzte­ kollegs ist.«
    »Soll das heißen, Sie haben das nicht gewußt, ehe Sie zu uns gekommen sind?«
    »Hm, ich wußte einiges«, sagte er,
»aber nicht alles. Von Ih­ nen hat Anne-Marie in der Zeit,
die ich sie kannte, gar nichts erzählt, und von Ihrem Vater nur
sehr wenig.«
    Sie lehnte sich mit verschränkten Armen
zurück. »Die Tre­ vaunces haben schon seit undenklichen
Zeiten in diesem Teil von Cornwall gelebt. Mein Vater brach mit einer
jahrhunderte­ langen Familientradition, indem er Medizin studierte,
statt zur See zu gehen. Er promovierte im Sommer 1914 an der
Univer­ sität Edinburgh und hatte schon damals ein gewisses
Talent zum Chirurgen, das er dann in verschiedenen Feldlazaretten an
der Frankreichfront nutzte.«
    »Ich nehme an, es muß eine verdammt harte Facharztausbil­ dung gewesen sein«, sagte Craig.
    »Im Frühjahr 1918 wurde er
verwundet. Ein Granatsplitter im rechten Bein. Sie haben wahrscheinlich
bemerkt, daß er immer noch ein wenig hinkt. Schloß
Voincourt wurde damals als Rekonvaleszenzheim für Offiziere
benutzt. Sie sehen, daß es nun langsam anfängt, wie ein
Märchen zu

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