Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das große Doppelspiel

Das große Doppelspiel

Titel: Das große Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
ich bin österreichischer Jude.
Einer der wenigen glücklichen, die rechtzeitig fliehen
konnten.«
    »Und jetzt?«
    »Ich tue, was ich kann, um gegen die Mörder zu kämpfen.«
    Die Stimme war so sanft, aber der Schmerz in seinen Augen war schrecklich anzusehen. Wir sind alle Opfer. Das
hatte sie irgendwo gelesen, und nun mußte sie auf einmal an den
jungen Jagdpiloten der Luftwaffe denken, den sie eines Tages in die
Notaufnahme ihres Krankenhauses gebracht hatten – furchtbare
Brandwunden und von Kugeln durchsiebt. Sein Gesicht war unverletzt, und
er sah aus wie ein Primaner, in den sie sich ver­ liebt hatte, als
sie sechzehn war und das Gymnasium besucht hatte. Ein netter, ganz
normaler Junge, der trotz der Schmerzen lächelte und ihre Hand
hielt, der sogar noch lächelte, als er starb.
    Die Tür wurde geöffnet, und Craig kam
herein. »Okay, das wäre erledigt. Sie fangen jetzt besser
an. Ich warte hier auf Sie.«
    »Ich verstehe nicht …« Baum war
noch nervöser als eben. »Ich dachte, Sie würden das
machen?«
    Craig musterte ihn mit kühler Verachtung und hob
die Hand, wie um jeden weiteren Einwand abzuwehren. »Meinetwegen,
Baum, meinetwegen.«
    Er öffnete die Tür und trat beiseite, damit sie vorangehen konnte.
    »Hören Sie, was für ein Spiel spielen Sie mit mir?« fragte sie.
    »Ich finde, Sie sollten es sehen.«
    »Was?«
    »Hier entlang«, sagte er ernst. »Folgen Sie mir.«
    Er ging hinaus, und wider ihren Willen schritt sie hinter ihm her.

    Er öffnete eine Tür am Ende der
Diele, und sie stiegen eine dunkle Treppe hinunter. Unten begann ein
langer Gang mit weiß gestrichenen, in regelmäßigen
Abständen von Türen un­ terbrochenen
Backsteinwänden. Dort, wo der Gang um eine Ecke bog, saß ein
Mann auf einem Stuhl und las ein Buch. Er war um die Fünfzig,
stämmig gebaut und grauhaarig. Er hatte eine Boxernase und trug
einen langen weißen Kittel, genau wie der junge Mann, der sie ins
Haus gelassen hatte. Plötzlich wur­ de rhythmisch an eine der
Türen geklopft, und als sie das Ende des Korridors erreichten,
schwoll das Klopfen zu einem ohren­ betäubenden Hämmern
an. Der Mann auf dem Stuhl blickte kurz auf, um sich dann wieder seinem
Buch zuzuwenden. »Er ist so gut wie taub«, sagte Craig.
»Er muß es sein.« Er blieb vor einer Metalltür
stehen. Das Hämmern hatte aufgehört, und ringsum war wieder
alles still. Er schob ein kleines Paneel zur Seite, warf einen Blick in
den Raum hinter der Tür und trat dann zur Seite. Er sagte kein
Wort.
    Noch nie hatte sie einen so abscheulichen Geruch wie
den wahrgenommen, der ihr durch die Gitterstäbe entgegenschlug. An
der Decke brannte eine Lampe, aber das Licht war schwach. Sie konnte
die Umrisse eines kleinen Betts ohne Decke ausmachen, einen
emaillierten Eimer, der daneben stand, sonst kaum etwas. Dann bewegte
sich etwas am Rand des Blickfelds.
    In der anderen Ecke hockte ein menschliches Wesen, das
in Lumpen gehüllt war. Unmöglich zu sagen, ob es ein Mann
oder eine Frau war. Es gab ein Stöhnen von sich und versuchte
im­ mer wieder, die Hände in die Wand zu krallen. In diesem
Mo­ ment hätte Geneviève sich, selbst wenn sie gewollt
hätte, nicht vom Fleck rühren können, denn sie war wie
gebannt vor Grau­ en. Das Wesen hob langsam den Kopf, als merkte
es, daß es von jemandem beobachtet wurde, und sie blickte voll
Entset­ zen in ihr eigenes Gesicht, nur daß es schief,
verzerrt, zerstört war wie im Spiegel eines besonders
scheußlichen Gruselkabi­ netts.
    Eisige Furcht breitete sich in ihr aus,
sie konnte nicht einmal schreien. Sie schienen einander eine Ewigkeit
anzustarren, jene Ruine eines Gesichts und sie, und dann näherte
sich das We­ sen, seine Hände streckten sich durch die
Gitterstäbe und form­ ten sich zu Klauen. Sie konnte sich
nicht rühren, um sich in Sicherheit zu bringen, ihre
Füße waren wie an den Boden ge­ schmiedet. Craig
mußte sie zurückziehen, und dann schob er hastig das Paneel
vor, so daß der hohe tierische Schrei zur Hälfte erstickt
wurde.
    Da schlug sie ihn mit aller Kraft, einmal, zweimal,
mitten ins Gesicht, und dann schlossen seine Hände sich um ihre
Handge­ lenke und hielten sie in einem eisernen Griff.
    »Schon gut«, sagte er leise. »Beruhigen Sie sich. Wir gehen jetzt.«
    Der Mann auf dem Stuhl sah auf, lächelte und
nickte. Wieder wurde gegen die Tür geschlagen, und während
sie den Korridor entlangschritten, schwoll das Hämmern
gräßlich an, und wenn Craig Osbournes starker Arm sie

Weitere Kostenlose Bücher