Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
Tee hat es auch gegeben.
» Also«, sagt die eine, » jetzt haben Sie alles, nicht wahr? Nur eines noch nicht: ein Souvenir aus Japan.« Und zieht hinter ihrem Rücken ein Tütchen hervor. Darin Origami-Kraniche, Pfirsichbonbons, eine handgemalte Karte mit Klebeherzchen: » Dear Winnemuth Meike Mrs, have a nice flight.«
Ich bin in Tränen ausgebrochen.
Die beiden Damen: furchtbar erschrocken, ob alles in Ordnung sei?
Aber ja, schluchze ich. Alles in Ordnung.
Vielleicht sollte ich doch einfach in Tokyo bleiben, dachte ich plötzlich. Eine intensive Viertelstunde lang habe ich alles überschlagen, Organisatorisches bedacht, eine To-do-Liste der Umplanung aufgestellt. Alles wäre machbar gewesen– aber das ist es ja stets. Alles geht immer auch anders, das ist das Mantra des Reisens; sonst bräuchte man keinen Fuß vor die Tür zu setzen.
Aber ich war zu erschöpft für eine Entscheidung. Stattdessen habe ich den halben Flughafenshop leergekauft. Einen bodenlangen Kimono in Dunkelblau-Weiß. Taschentücher. Sake. Irgendwelche Süßigkeiten in schönen Verpackungen. Was mitnehmen, ein bisschen festhalten an Japan. Lächerlich, aber das war alles, wozu ich in diesem Moment in der Lage war.
Und dann hielt Japan an mir fest. Landung in Honolulu bei 30Grad. Das Immigrationsformular: japanisch. Mein Leihwagen: japanisch. Die Dame am Schalter fluchte kurz und herzlich, als ich ihr sagte, dass mein Navi leider auch nur japanisch versteht. Zu viert– sie, ich, zwei weitere Kunden– drückten wir ein bisschen darauf herum. Jetzt versteht es Englisch bei der Eingabe, spricht aber immer noch japanisch zu mir.
Und ich finde es genau richtig so. Denn ich habe mir, ohne es zu ahnen, unter allen Orten genau den ausgesucht, der außerhalb von Japan der japanischste ist. Auf den Straßen, am Strand, im Supermarkt: Japaner. Die Speisekarten haben Einträge auf Japanisch, die Bushaltestellen japanische Fahrpläne. Die erste Maiwoche ist Golden Week, die traditionelle japanische Urlaubswoche, und Hawaii ist das Mallorca Japans.
Kennst Du das, Anne, wenn das Leben Dir irgendwas mitteilen will, Du es aber nicht so ganz verstehst? Wenn quasi die ganze Zeit die » Sie haben eine Nachricht«-Anzeige blinkt, Du sie aber nicht abhören kannst?
So habe ich mich gefühlt in diesen ersten Tagen in Hawaii. Japan hat mir an allen Ecken und Enden zugewinkt, mit einem blitzsauberen Taschentuch. Danke, Universum, oder wer auch immer dafür zuständig ist. Ich liebe es inzwischen so sehr, wenn die Welt es mal wieder besser weiß als ich.
Ich habe ein Apartment in Waikiki gemietet, einem Vorort von Honolulu in etwa der Weise, wie der Ballermann ein Vorort von Palma de Mallorca ist. Halt– stimmt natürlich nicht. Es geht unglaublich gesittet zu in Waikiki: Flitterwöchner statt Kegelclubs, Hula-Shows statt Jürgen Drews, Cocktails statt Sangria-Eimer. Eine fast geräuschlos surrende Ferienmaschine, die um ein paar Grandhotels herum gebaut wurde– sauberes, harmloses, ur-amerikanisches Vergnügen. Ich mag das, Du würdest es auch mögen: Es ist genau das Sanatorium, das Du mir verordnet hast.
Also kaufte ich mir ein Hawaiihemd und eine Leolani-Ukulele.
W ie sollte man es bei solchen Läden auch schaffen, sich keine Ukulele zu kaufen?Ich beschloss: Diesen Monat mache ich richtig klassischen stinkfaulen Urlaub.
My way, natürlich: Mittwochs gehe ich immer zum Ukulele-Unterricht in der Schule von Ray Sakura, einem legendären Uke-Spieler. Meine Lehrerin heißt Kylie, behandelt mich mit der Geduld einer Kindergärtnerin und bringt mir schöne Lieder bei: Can’t help falling in love von Elvis zum Beispiel oder Let it be . Am Ende der Stunde singen wir immer eine Runde zusammen. Und abends sitze ich auf meinem Balkon beim Sundowner, gucke durch die Apartmenthochhäuser hindurch auf einen Streifen Meer und spiele mir selbst was vor. Die Nachbarn scheint es nicht zu stören. Mein Nachbar zur Rechten, ein kleiner Kiffer-Yogi namens Yusk, der nur Fleisch isst ( » Das Verdauen von Gemüse kostet meinen Körper zu viel Kraft«) und den ich noch nie mit bekleidetem Oberkörper gesehen habe, guckt gelegentlich um die Ecke der Balkonabtrennung und summt ein bisschen mit.
Ich bin jetzt im fünften Monat (man sieht schon was– Scherz) und stelle fest: Jeder Ort scheint einen etwas anderen Menschen aus mir herauszukitzeln. Nicht völlig anders natürlich, nur leicht verschoben in der Art eines Wackelbilds, das sich mit einer kleinen Bewegung
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