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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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prüfend an: sprach sie christlich? verstand sie?
    »Ja, Don Aquilino«, sagte Bonifacia. »Guten Abend wünsch ich Ihnen.«
    »Es ist Zeit zu schlafen«, sagte der Alte. »Der Laden ist schon zu, komm morgen wieder.«
    »Seien Sie lieb«, sagte Bonifacia. »Lassen Sie mich nur ganz kurz raufkommen?«
    »Hast deinem Mann das Geld wohl heimlich weggenommen, deswegen kommst du jetzt erst an«, sagte der Alte. »Und wenn er’s morgen von mir zurückverlangt?«
    Er spuckte ins Wasser und lachte. Er saß in der Hocke vor ihr, seine Haare fielen locker und wie Schaum um sein Gesicht, und Bonifacia sah seine dunkle Stirn, frei von Falten, seine Augen wie zwei glühende Tierchen.
    »Na wennschon«, sagte der Alte. »Ich kümmere mich nur um mein Geschäft. Also, komm rauf.«
    Er streckte eine Hand aus, aber Bonifacia war schon geschmeidig hinaufgeklettert und wrang, auf dem Floß stehend, ihr Kleid aus und streifte das Wasser von den Armen. Halsketten? Schuhe? Wieviel Geld hatte sie? Bonifacia begann scheu zu lächeln, brauchte er nicht ein bißchen Hilfe, Don Aquilino? und ihre Augen beobachteten ängstlich den Mund des Alten, daß ihm jemand das Essen machte, solange er in Santa Maria de Nieva blieb? daß ihm jemand Obst holte? daß jemand das Floß reinigte, brauchte er nicht? Der Alte kam näher, woher kannte er sie? und sah sie von oben bis unten an: er hatte sie doch schon einmal gesehen, nicht wahr?
    »Ich möcht ein Stückchen Stoff«, sagte Bonifacia und biß sich auf die Lippen. Sie deutete auf den Aufbau, und einen Augenblick lang leuchteten ihre Augenauf. »Den gelben, den Sie zuletzt weggepackt haben. Ich arbeit ihn ab, Sie sagen mir, was ich tun soll, und ich tu’s.«
    »Brauch keine Hilfe«, sagte der Alte. »Hast du kein Geld?«
    »Für ein Kleid«, flüsterte Bonifacia sanft und hartnäckig. »Soll ich Ihnen Obst bringen? Oder soll ich Ihnen lieber den Fisch einsalzen? Ich werd beten, daß Ihnen auf Ihren Reisen nichts zustößt, Don Aquilino.«
    »Ich brauch keine Gebete«, sagte der Alte; er sah sie ganz aus der Nähe an und schnalzte auf einmal mit den Fingern. »Ah, jetzt erkenn ich dich wieder.«
    »Ich werd heiraten, seien Sie lieb«, sagte Bonifacia. »Mit dem Stückchen Stoff mach ich mir ein Kleid, ich kann nähen.«
    »Warum hast du keine Nonnentracht an?«
    »Ich bin nicht mehr bei den Madres«, sagte Bonifacia. »Sie haben mich aus der Mission hinausgeworfen, und jetzt werd ich heiraten. Geben Sie mir das Stückchen Stoff, und ich helf Ihnen jetzt, und wenn Sie das nächste Mal kommen, bezahl ich in Soles dafür, Don Aquilino.«
    Der Alte legte eine Hand auf Bonifacias Schulter und ließ sie zurücktreten, damit der Mondschein auf ihr Gesicht fiel, betrachtete ruhig die grünen, sehnsüchtigen Augen, den kleinen tropfenden Körper: war schon eine richtige Frau. Hatten die Nönnchen sie hinausgeworfen, weil sie sich mit einem Christeneingelassen hatte? mit dem, den sie heiraten würde? Nein, Don Aquilino, mit dem hatte sie sich hinterher eingelassen, und niemand im Dorf wußte, wo sie war, und wo war sie? die Nieves hatten sie aufgenommen, sollte sie nun etwas für ihn arbeiten?
    »Wohnst du bei Adrián und Lalita?« sagte Don Aquilino.
    »Sie haben mich dem vorgestellt, der mein Mann wird«, sagte Bonifacia. »Sind sehr gut zu mir gewesen, wie Eltern.«
    »Ich fahr jetzt zu den Nieves«, sagte der Alte. »Komm mit.«
    »Und der Stoff?« sagte Bonifacia. »Lassen Sie mich nicht so betteln, Don Aquilino.«
    Der Alte sprang geräuschlos ins Wasser, Bonifacia sah das Haar auf den Landesteg zutreiben, sah es zurückkommen. Don Aquilino erklomm das Floß mit dem Seil über der Schulter, rollte es auf und stieß mit der Stake das Floß flußaufwärts, dicht am Ufer entlang. Bonifacia hob die andere Stake hoch und ahmte, an der gegenüberliegenden Kante stehend, den Alten nach, der das Holz geschickt, ohne Anstrengung ins Wasser stach und wieder herauszog. Auf der Höhe des Binsendickichts war die Strömung kräftiger, und Don Aquilino mußte manövrieren, damit das Floß sich nicht vom Ufer entfernte.
    »Don Adrián ist früh zum Fischen ausgefahren, aber jetzt ist er sicherlich schon zurück«, sagte Bonifacia. »Ich lad Sie zur Hochzeit ein, Don Aquilino, aberSie geben mir doch das Stückchen Stoff, oder? Ich werd den Sargento heiraten, kennen Sie ihn?«
    »Einen Polypen heiratest du? Dann geb ich ihn dir nicht«, sagte der Alte.
    »So dürfen Sie nicht reden, er ist ein Christ mit einem guten

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