Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
rufen«, sagte der Sargento Delgado; er richtete sein Gewehr auf eine Cabaña, feuerte zweimal, und die Schüsse echoten in der Ferne. »Jetzt glauben sie, daß die Banditen uns in die Pfanne hauen.«
»Ehrlich gesagt, mir ist’s lieber, wenn niemand da ist«, sagte der Sargento. »Ich werde heiraten, ich eigne mich nicht dafür, daß man mir den Kopf runterschießt, in meinem Alter.«
»Wir wollen die Hütten durchsuchen, bevor die andern kommen«, sagte der Sargento Delgado. »Vielleicht ist noch was da, was der Mühe wert ist.«
Sie fanden nur Überreste verrosteter Gegenstände, die in Spinnenverstecke verwandelt waren, und die zerfressenen, von Termiten ausgehöhlten Hölzer zersplitterten unter ihren Füßen oder zerfielen weich. Sie verließen die Hütten, liefen die Insel ab und beugten sich da und dort über verkohlte Brennhölzer, verrostete Dosen, Gefäßscherben. An einer Böschung stießen sie auf einen Graben brackigen Wassers, über den inmitten von scheußlichen Ausdünstungen Moskitoschwärme zuckten. Zwei Reihen Staketen säumten ihn wie ein gezacktes Nest, und was war denn das, der Sargento Roberto Delgado hatte so was noch nie gesehen. Was wird’s schon sein, was von den Nacktärschen halt, aber sie sollten lieber abhauen, es stank, und es gab zu viele Wespen. Sie kehrten zu den Cabañas zurück, und der Teniente, die Guardiasund die Soldaten irrten wie Nachtwandler auf der Lichtung umher, die Gewehre auf die Bäume gerichtet, unruhig und ratlos.
»Zehn Tage Fahrt!« brüllte der Teniente. »Und wofür die ganze Scheiße! Wie lang meint ihr, daß die schon weg sind?«
»Ich würd sagen, schon vor Monaten, mi teniente «, sagte der Sargento. »Vielleicht schon vor einem Jahr.«
»Das waren nicht zwei, sondern drei Cabañas, mi teniente «, sagte der Dunkle. »Hier hat noch eine gestanden, die hat bestimmt ein Sturm umgelegt. Man kann die Stützpfähle noch sehen, schauen Sie.«
»Ich meine eher, schon vor mehreren Jahren, mi teniente «, sagte der Sargento Delgado. »Wegen dem Baum, der da drinnen gewachsen ist.«
War ja letzten Endes auch egal, der Teniente lächelte enttäuscht, ein Monat oder zehn Jahre, müde: reingefallen waren sie auf alle Fälle. Und der Sargento Delgado, mal sehen, Hinojosa, eine anständige Durchsuchung und sie sollten ihm alles Eßbare, Trinkbare und Anziehbare zusammenpacken, und die Soldaten zerstreuten sich über die Lichtung und verloren sich zwischen den Bäumen, und der Blonde sollte ein wenig Kaffee machen, damit sie den üblen Geschmack aus dem Mund brächten. Der Teniente ging in die Hocke und fing an, mit einem Ast in der Erde zu stochern. Die Sargentos steckten sich Zigaretten an; summende Schwärme schwirrten über ihre Köpfe weg, während sie sich unterhielten. Der Lotse Pintadoschnitt trockene Äste klein, machte Feuer, und unterdessen schleuderten zwei Soldaten in hohem Bogen Flaschen, Tonkrüge, zerschlissene Tücher aus den Hütten. Der Blonde hielt einen Topf über das Feuer, servierte dampfenden Kaffee in kleinen Blechbechern, und der Teniente und die Sargentos tranken eben aus, als Schreie laut wurden, was? und zwei Soldaten kamen angerannt, da war jemand? der Offizier war aufgesprungen, was? und der Soldat Hinojosa: ein Toter, mi teniente , hatten ihn da hinten am Wasser gefunden. Huambisa? Christ? Gefolgt von Guardias und Soldaten rannte der Teniente schon davon, und während einiger Augenblicke hörte man nichts als das Knistern des niedergetretenen Laubs, das dumpfe Rascheln des gegen die Körper schlagenden Grases. Geschwind und dicht hintereinander liefen sie um den Staketenzaun, stürzten die Böschung hinab, sprangen über eine mit Kieselsteinen besetzte Grube und blieben, am Uferfleck angelangt, plötzlich stehen, rings um den Daliegenden. Er lag auf dem Rücken, seine zerfetzte Hose bedeckte knapp die schmutzstarrenden und abgezehrten Glieder, die dunkle Haut. Seine Achselhöhlen waren zwei klumpige schwarze Filze, und die Zehen-und Fingernägel waren sehr lang. Schorf und vertrocknete Wunden zernagten seinen Oberkörper, die Schultern, ein Stück weißlicher Zunge hing zwischen den gesprungenen Lippen hervor. Die Guardias und die Soldaten starrten ihn an, und mit einemmal lächelte der Sargento Roberto Delgado,bückte sich und roch, die Nase am Mund des Liegenden. Dann kicherte er, richtete sich auf und versetzte dem Mann einen Fußtritt in die Rippen: Hören Sie mal, Sie Arschloch, er sollte den Toten nicht so treten, und der
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