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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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dick ist er, und ein weißes Hemd hat er angezogen«, sagt Huambachano mechanisch. »War aber auch Zeit, ich bin nicht fürs Wasser geschaffen. Mein Körper gewöhnt sich nicht dran, die ganze Reise über hab ich mich gequält.«
    Der Mann in der blauen Uniform nimmt den Reisenden die Billets ab und liefert einen nach dem andern mit einem freundschaftlichen Stoß den affenartigen, verzweifelten Trägern aus, die über die Passagiere herfallen, ihnen die Tiere entreißen und die Pakete, sie anflehen, beschimpfen, wenn sie ihr Gepäck nicht loslassen wollen. Es sind höchstens zehn, aber sie machen einen Lärm wie hundert; schmutzig, zerzaust, dünn wie Skelette, tragen die meisten nur eine mit Flicken besetzte Hose und der eine oder andere ein zerschlissenes Hemd. Huambachano treibt sie mit den Ellbogen auseinander, Patrón, nicht mehr, als er bezahlen wollte, haut ab! aber sie lassen nicht locker, Scheißkerle! fünf Real nur, Patrón, und er, haut ab, Platz da! Sie bleiben zurück, und taumelnd erreicht er die Barriere. Aquilino kommt ihm entgegen und sie umarmen sich.
    »Hast dir ja einen Schnurrbart wachsen lassen«, sagt Huambachano, »und Brillantine ins Haar geschmiert. Wie du dich verändert hast, Aquilino.«
    »Hier ist’s halt nicht so wie daheim, hier muß man gut angezogen sein«, grinst Aquilino. »Wie war die Reise? Ich erwart euch schon seit heut morgen.«
    »Deine Mutter hat eine gute Reise gehabt, sie hat ihren Spaß gehabt«, sagt Huambachano. »Aber mir war sehr übel, ich hab die ganze Zeit über gekotzt. So viele Jahre auf keinem Schiff mehr gewesen.«
    »Da braucht man einen Schnaps drauf«, sagt Aquilino. »Was ist denn mit meiner Mutter, warum kommt sie denn nicht?«
    Massig steht Lalita da, die langen, graudurchschossenen Haare hängen locker auf den Rücken, sie ist von Trägern umzingelt. Sie hat sich einem von ihnen zugewandt, steht dicht vor ihm, ihre Lippen bewegen sich, und sie betrachtet ihn mit einer fast kampflustigen Neugier: Diese Scheißkerle, sahen sie denn nicht, daß sie keinen Koffer hatte? Was wollten sie denn, etwa sie selber tragen? Aquilino lacht, zieht eine Packung Inca heraus, bietet Huambachano eine Zigarette an und gibt ihm Feuer. Jetzt hat Lalita eine Hand auf die Schulter des Trägers gelegt und redet lebhaft auf ihn ein: er hört sie abweisend an, schüttelt den Kopf und entweicht nach einem Augenblick und mischt sich wieder unter die andern, beginnt auf und nieder zu hüpfen, zu kreischen, hinter den Passagieren herzurennen. Lalita kommt auf den Drahtzaun zu, ganz gelöst, die Arme ausgestreckt. Während sie und Aquilino sich umarmen, raucht Huambachano, und sein Gesicht wirkt, zwischen den Rauchschwaden, ruhig und wie immer.
    »Jetzt bist du schon ein Mann, wirst heiraten, bald werd ich Enkelkinder kriegen.« Lalita drückt Aquilinos Arm, zwingt ihn, zurückzutreten und sich im Kreis zu drehen. »Und so elegant bist du, so gut siehst du aus.«
    »Wißt ihr, wo ihr unterkommen sollt?« sagt Aquilino. »Bei den Eltern von Amelia, ich hab zuerst ein kleines Hotel suchen wollen, aber sie, nein, hier, wir werden in der Diele ein Bett aufstellen. Sind nette Leute, ihr werdet gut mit ihnen auskommen.«
    »Wann ist denn die Hochzeit?« sagt Lalita. »Ich habe ein neues Kleid mitgebracht, Aquilino, an dem Tag werd ich’s zum erstenmal anziehen. Und der Fette muß sich eine Krawatte kaufen, die, die er gehabt hat, war schon sehr alt, und ich hab nicht zugelassen, daß er sie trägt.«
    »Am Sonntag«, sagt Aquilino. »Ist schon alles vorbereitet, die Kirche bezahlt und eine kleine Feier im Haus der Eltern von Amelia. Morgen veranstalten meine Freunde den Polterabend. Aber du hast mir noch gar nicht von meinen Brüdern erzählt. Wie geht’s ihnen denn?«
    »Gut, aber sie träumen davon, nach Iquitos zu gehen«, sagt Huambachano. »Sogar der Jüngste möchte schon auf und davon wie du.«
    Sie sind auf die Uferstraße hinausgetreten, und Aquilino trägt den Koffer auf der Schulter und den Sack unter dem Arm. Huambachano raucht, Lalita betrachtet gierig den Park, die Häuser, die Passanten,die Autos, Fetter, war das nicht eine hübsche Stadt? Wie groß Iquitos geworden war, das war alles noch nicht dagewesen, als sie noch ein junges Mädchen war, und Huambachano, ja, mit lustlosem Gesicht: auf den ersten Blick schien sie hübsch.
    »Waren Sie nie hier, als Sie noch Guardia Civil waren?« sagt Aquilino.
    »Nein, immer nur an Orten entlang der Küste«, sagt Huambachano. »Und

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