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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Kleinen verdeckt, vor Bonifacia steht nur eine dichte Masse aus Kitteln und gierigen Augen. Was ging es sie dann noch an, Gott würde es wissen, sie würden es wissen, mochten sie in den Schlafsaal zurückgehen oder fliehen oder sterben, und sie schaut zum Wohnhaus hinüber: immer noch kein Licht.
    »Sie haben ihm die Haare abgeschnitten, um ihm den Teufel auszutreiben«, sagte Madre Angélica. »Und jetzt Schluß damit, denk nicht mehr an den Heiden.«
    Es ist halt, daß sie immer daran denken mußte, Mamita, wie es wohl war, als sie sie ihm abschnitten, und war der Teufel wie die kleinen Läuse? Was sagte die Wahnsinnige da? Ihm, um ihm den Teufel auszutreiben, den Heidenmädchen, um die Läuse zu vertreiben. Das bedeutete, daß beide sich im Haar breitmachten,Mamita, und Madre Angélica, wie dumm sie doch war, Bonifacia, was für ein dummes Kind.
    Sie gehen eine nach der andern hinaus, ordentlich, wie an Sonntagen, wenn sie zum Fluß ziehen, und als sie an Bonifacia vorbeigehen, strecken einige die Hand aus und streicheln liebevoll ihr Habit, ihren bloßen Arm, und sie, schnell, mochte Gott ihnen beistehen, sie würde für sie beten. Er würde sie behüten, und sie stemmt sich mit der Schulter gegen die Tür. Jedes Mädchen, das auf der Schwelle stehenbleibt und den Kopf zurückwendet zum dunklen Wohnhaus, schiebt sie hinaus, zwingt es, in dem Pflanzenschlund zu versinken, auf die morastige Erde zu treten und sich in der Finsternis zu verlieren.
    »Und plötzlich hat die andere sich losgerissen und ist auf mich zugekommen«, sagte Bonifacia. »Die Kleinere, Madre, und ich hab gedacht, sie wollte mich umarmen, aber sie hat auch angefangen, mit ihren Fingerchen herumzusuchen, und deswegen war’s, Madre.«
    »Warum hast du denn die Mädchen nicht in den Schlafsaal geführt?« sagte die Oberin.
    »Aus Dankbarkeit, verstehst du, weil ich ihnen zu essen gegeben hab«, sagte Bonifacia. »Ihr Gesicht ist traurig geworden, weil sie keine gefunden hat, und ich, hätt ich nur welche, hätt sie nur eine einzige, kleine gefunden, die Arme.«
    »Und dann protestierst du, wenn die Madres dich eine Wilde nennen«, sagte die Oberin. »Redest du jetzt vielleicht wie eine Christin?«
    Und sie suchte auch in ihren Haaren, und es ekelte sie nicht, Madre, und jedes, das sie fand, tötete sie mit den Zähnen. Widerwärtig? ja, wahrscheinlich, und die Oberin, du redest, als wärst du stolz auf so eine Schweinerei, und Bonifacia, das war sie, das war das Schlimme, Madre, und die kleine Heidin tat, als fände sie welche, und zeigte ihr die Hand und steckte sie hastig in den Mund, wie um sie zu zerbeißen. Und die andere hatte auch damit angefangen, Madre, und sie bei ihr auch.
    »Hör auf, so mit mir zu reden«, sagte die Oberin. »Und außerdem reicht’s mir jetzt, ich will nichts mehr hören, Bonifacia.«
    Und sie, wären da doch die Madres reingekommen, die Madre Angélica und du auch, Madre, und sie hätte sie sogar beleidigt, so wütend war sie, so voller Haß, Madre, und die beiden Kleinen sind schon nicht mehr da: müssen unter den ersten gewesen, hastig davongeschlichen sein. Bonifacia überquert den Patio, kommt an der Kapelle vorbei und bleibt stehen. Sie tritt ein, setzt sich auf einen Stuhl. Das Mondlicht fällt schräg bis auf den Altar, wird kraftlos beim Gitter, das während der Sonntagsmesse die Mündel von den Gläubigen des Dorfes Santa María de Nieva trennt.
    »Und außerdem warst du eine kleine Bestie«, sagte Madre Angélica. »In der ganzen Mission hat man hinter dir herlaufen müssen. Mich hast du einmal in die Hand gebissen, Banditin.«
    »Ich hab ja nicht gewußt, was ich tat«, sagte Bonifacia, »ich war doch noch eine Heidin, verstehst du? Wenn ich die Stelle küß, wo ich dich gebissen hab, verzeihst du mir dann, Mamita?«
    »Du sagst das alles, als wolltest du dich über mich lustig machen, und schaust mich so spitzbübisch an, daß ich dich am liebsten versohlen würde«, sagte Madre Angélica. »Soll ich dir noch eine Geschichte erzählen?«
    »Nein, Madre«, sagte Bonifacia. »Ich bin schon lange hier und bete.«
    »Warum bist du nicht im Schlafsaal?« sagte Madre Angela. »Wer hat dir erlaubt, um diese Zeit in die Kapelle zu kommen?«
    »Die Mündel sind ausgerissen«, sagte Madre Leonor, »Madre Angélica sucht dich. Los, schnell, die Oberin möchte mit dir sprechen, Bonifacia.«
    »Muß hübsch gewesen sein als junges Mädchen«, sagte Aquilino. »Mir sind ihre langen, langen Haare aufgefallen, damals,

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