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Das gruene Zelt

Das gruene Zelt

Titel: Das gruene Zelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
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erinnerte sich nicht einmal mehr, wann sie diese aufregende Beschäftigung entdeckt hatte. In der neunten Klasse war sie eine Meisterin ihres Fachs, und wie jeder gute Meister hatte sie ihre besondere Handschrift und ihre kleinen Vorlieben. Die erwachsenen Männer, die sie belagerten, mochte sie nicht, sie zog die Jungen vor. Schulfreunde und Hofnachbarn, oft ein, zwei Jahre jünger als sie, schätzten sie sehr, sie ließen nichts auf sie kommen, und niemand sagte ein böses Wort über sie, denn sie war wertvolles Gemeingut.
    Nadkas Großvater stand früh auf und ging mit den Hühnern schlafen, die sie längst nicht mehr hielten, doch seine innere Uhr erinnerte sich noch an die Zeit, da es im Hof des einstöckigen Gebäudes einen Pferdestall gegeben hatte und zwei Anbauten, in denen Hühner gehalten wurden. Wenn also der Großvater zur Hühnerzeit bereits selig schnarchte, nahm Nadka den Schlüssel vom Nagel und begab sich für ein, zwei Stündchen in ihr Boudoir unter der Treppe.
    Dort, in einem antiken Sessel aus karelischer Buche mit kaputter Lehne, auf dem zusammengerollten Schlauch und zwischen den Besen geschah manch Interessantes – dünne Jungen, die manchmal noch nicht einmal das Pickelalter erreicht hatten, erprobten ihre Kräfte und schärften ihre Waffe für die Zukunft. Die Hälfte aller Jungen aus den umliegenden Häusern hatte ihre erste sexuelle Erfahrung hier gemacht, im Hauswartsverschlag, und in niemandem, bis auf einen Einzigen, hatte Nadka je Abscheu gegen diese simple und gesunde Betätigung geweckt.
    Ilja kam oft her und genoss Nadkas Gunst, wobei er sich wie alle in die Warteschlange einreihen musste.
    Nadka hatte wie gesagt eine Schwäche für unberührte Jungen, und mit der ihr eigenen rigorosen Direktheit fragte sie Ilja eines Tages ganz nebenbei: Wieso kommt Steklow nie zu mir? Bring ihn mal her.
    Sanja war ganz nach ihrem Geschmack – blond, hellhäutig, schlank, mit sauberen Händen, der Höflichste von allen Jungen.
    Ilja lud Sanja ein. Der errötete so heftig wie der rothaarige Micha und lehnte sofort ab. Danach quälte er sich. Bis zu diesem Angebot hatte er sich kein bisschen für Nadka, das dicke, ein wenig derbe Mädchen aus der Parallelklasse mit den schwarzen Augen unterm Pony interessiert und keine zwei Worte mit ihr gewechselt. Doch nach Iljas Worten lief er eine ganze Woche aufgewühlt herum, Nadka ging ihm nicht aus dem Sinn, und er beschloss, sollte Ilja sein Angebot wiederholen, würde er mitgehen – er wusste bereits, wohin und wozu.
    Ilja wiederholte die Einladung, und sie verabredeten sich. Um halb zehn waren sie bei Nadka. Die erwartete sie lesend – Neuland unterm Pflug , Schulstoff.
    Ilja ging gleich wieder, und Nadka legte den Haken vor.
    »Mit Ankucken oder ohne?«, fragte die erfahrene Nadka, der beides recht war.
    Sanja schwieg: Er wollte zu gern leibhaftig sehen, was er nur aus dem Anatomieatlas von Urban und Schwarzenberg aus dem Schrank seiner Mutter kannte. Aber er schwieg.
    »Hab keine Angst, das ist sehr schön.«
    Sie öffnete die Knöpfe ihrer blauen Wolljacke, ihn traf der Geruch nach warmem Schweiß, und er sah unter der Jacke den Ansatz ihrer Brust, die oben aus dem zu engen Büstenhalter und aus der rosa Unterwäsche mit weißer Spitze quoll.
    Sanja wich zurück. Nadka entblößte ihre weißen Zähne und einen perlmuttfarbenen Streifen Zahnfleisch.
    »Hab keine Angst, gib mir deine Hand.«
    Sanja streckte die Hand aus – zum Händedruck. Sie drehte sie um und schob sie unter ihr Hemd. Ihre Brust war wie frisches Brot – fest und warm.
    »Komm, tu nicht so fremd«, sagte Nadka ein wenig unwillig, und um das Fremdeln zu überwinden, löschte sie das Licht.
    Sie war eine erfahrene Verführerin, aber das ahnte sie in ihrer animalischen Unschuld nicht. Nachdem sie das Licht gelöscht hatte, war sie selbst erregt. Der Verschlag hatte kein Fenster, und die Dunkelheit war absolut und undurchdringlich.
    »Nun lieg doch nicht da wie ein Stück Holz, beweg dich.«
    Er war tatsächlich wie ein Stück Holz. Sie nahm seine kalten Hände in ihre, die warm waren und groß, und führte sie über ihren Körper. Er wäre am liebsten fortgelaufen, aber wohin? Wo konnte es noch dunkler sein als hier …
    Neben ihnen raschelte und fiepte es. Er griff nach Nadkas Schulter. Und entdeckte, dass sie vollkommen nackt war und überall wie frisches Brot – nicht nur ihre Brust.
    »Hab keine Angst, das ist eine Ratte mit ihren Jungen, hier ist ein Nest. Ich zeige es dir

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