Das Gurren der Tauben (German Edition)
Rau.
“ Ja! ” , fl ü sterte J ö rg.
“ Ich kann Sie
nicht h ö ren Angeklagter! ” , schrie Rau und
starrte an die Decke.
“ Ja! ” , sagte J ö rg, diesmal f ü r alle im Saal
vernehmbar.
Es war
offensichtlich, dass er alles unterschrieben hatte, ohne es sich durchzulesen.
Am Ende wurde es so hingestellt, dass er in voller T ö tungsabsicht auf
Jahn geschossen hatte.
Burkhard kam als
N ä chster. Er war
von uns allen am schlimmsten dran, wegen der Sch ü sse auf Retzlaff. Ich denke, dass er die Nerven
verloren hatte. Dass das alles zu viel f ü r ihn war. Andererseits hatte Retzlaff die Situation mit
seiner Selbst ü bersch ä tzung zus ä tzlich
angeheizt. Die Staatsanwaltschaft sah die Sache nat ü rlich anders.
Burkhard konnte nur hoffen, dass die Ä rzte den Mann durchbekamen.
Andreas pr ä sentierte sich
gut. Er war der Einzige, der mich nicht zum R ä delsf ü hrer stempelte. Einmal fuhr ihn Rau an, weil er meinen
Vornamen verwendete, als es um mich ging: “ Wir verhandeln hier nicht mit Vornamen. Benutzen Sie gef ä lligst den
Familiennamen! ”
Andreas war
nicht beeindruckt und nannte mich weiter beim Vornamen.
Die beiden
Staatsanw ä lte musterten
mich, als ich vor ans Mikrofon trat. Rau, der praktisch die ganze Vernehmung
allein durchf ü hrte, fragte
mich, ob ich den Tatbestand der R ä delsf ü hrerschaft einr ä ume. Als ich verneinte, rief er J ö rg auf: "W ü rden Sie sagen, dass der Angeklagte Baganz f ü r die Planung
des Ausbruchs verantwortlich ist?"
J ö rg war diese
Frage sichtlich unangenehm. "Ich glaube nicht", sagte er schlie ß lich.
Jetzt griff
Meckert zum ersten Mal ein: "Soll ich vorlesen, was Sie w ä hrend der Voruntersuchung
gesagt haben?"
"Nein",
sagte J ö rg. Es war kaum
h ö rbar, doch
Meckert war mit dieser Antwort zufrieden.
Der Vorsitzende
erkundigte sich ob es weitere Fragen gab. Die Sch ö ffen hatten bisher noch nichts gesagt, deshalb war
ich erstaunt, als einer von beiden mich ansprach: "Warum haben Sie auf den
Streifenwagen geschossen?"
"Ich wollte
denen Angst einjagen", sagte ich.
"War die
Waffe zur irgendeiner Zeit auf Dauerfeuer gestellt?"
"Nein",
antwortete ich wahrheitsgem äß .
Der Sch ö ffe nickte und
hatte keine weiteren Fragen.
Danach wurde die
Verhandlung bis 14 Uhr unterbrochen. Ü ber die Mittagspause ging es zur ü ck in die
U-Haft.
Der zweite Teil
des ersten Verhandlungstages begann mit der Zeugenvernehmung. Als erstes wurden
die W ä rter, die wir in
der U-Haft ü berw ä ltigt hatten,
angeh ö rt. Sie waren
alle noch krankgeschrieben. Sie schilderten das Geschehen aus Ihrer Sicht,
wobei sie betonten keine Chance gehabt zu haben, den Ausbruch zu verhindern.
Die Staatsanw ä lte sahen das
anders. Rau stellte viele unangenehme Fragen. So wollte er wissen, warum sie
ihre Sprechfunkger ä te und Schlagst ö cke nicht wie vorgeschrieben dabei gehabt hatten. Er deutete an, dass sich
die W ä rter anderweitig
wegen Versto ß es gegen die
Arbeits- und Sicherheitsbestimmungen zu verantworten h ä tten.
Obermeister K ö cher stand immer
noch unter Schock. Er stammelte nur herum und war nicht in der Lage, konkrete
Antworten zu geben. "Ich wei ß nicht mehr" und "vielleicht" war das
Einzige, was er von sich gab.
Das wunderte
mich, denn in der U-Haft hatte er immer den starken Mann markiert. Schon allein
wegen seiner K ö rperf ü lle galt er
unter den H ä ftlingen als
Respektsperson.
Die Staatsanw ä lte merkten
bald, dass mit diesem Zeugen nichts anzufangen war und er wurde entlassen.
Dann sagte der
Fahrer des Streifenwagens aus, auf den ich geschossen hatte: "Wir hatten ü ber Funk den
Auftrag bekommen in der U-Haft Collegienstra ß e nach dem Rechten zu sehen. Neben meinem Kollegen befand
sich noch ein Praktikant im Fahrzeug. Es war sein erster Tag ... Der muss auch
gedacht haben, er sei in irgend einem Film – "
"Bitte
bleiben Sie bei den Fakten!", unterbrach der Vorsitzende. "Was
passierte dann?"
"Entschuldigung!
... Wir sahen eine Gruppe junger Leute in Gef ä ngniskleidung. Sie standen um ein Fahrzeug herum und
hatten Waffen."
"Was haben
Sie getan?", fragte der Vorsitzende.
Ich stoppte und
schickte den Genossen und den Praktikanten hinaus um die Umgebung abzusichern.
In der N ä he befand sich
eine Baustelle. Ich wies sie an, die Arbeiten einstellen zu lassen und Passanten
daran zu hindern in die gef ä hrdete Richtung zu gehen. Dann h ö rte ich einen Schuss. Die Genossen rannten in Deckung.
Ich wendete und fuhr davon. Es
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