Das Gurren der Tauben (German Edition)
schleppte mich zur T ü r und dr ü ckte den
Klingelknopf. Sekunden sp ä ter wurde der Deckel vom Spion vorsichtig zur Seite geschoben.
“ Die Flasche ist
leer ” , sagte ich.
Keine Antwort – der Deckel
schloss sich wieder.
Ich schleppte
mich zur ü ck zum Bett.
Nach einer Weile nahm ich die mir verbliebene Kraft zusammen und schrie: “ Hallo! ”
Am Spion tat
sich wieder etwas. “ Ja, schrei ruhig du schei ß Kanacke! Hoffentlich krepierst du!", h ö rte ich jemanden sagen. Es war die Stimme von dem
Typen, der mich nach dem Ausbruch gefragt hatte.
Ich riss mir die
Kan ü le aus dem Arm
und konnte endlich meine Position ä ndern. Ein paar Minuten sp ä ter wurde die T ü r aufgeschlossen und mein “ Freund ” trat ein.
“ Sie hatten
geklingelt? ” , sagte er, als
h ä tte er es gerade
bemerkt.
“ Schon erledigt ” , sagte ich.
“ Haben Sie die
Kan ü le
herausgezogen! ” , sagte er
dramatisch.
“ Die Flasche war
leer ” , sagte ich.
“ Die kann nicht
leer gewesen sein ” , sagte der Pfleger. ” Sie war auf minimalen Durchfluss eingestellt. Sie haben an der Rollklemme
gedreht. Das hat Konsequenzen. ”
“ Ihr d ä mlicher
Kommentar hinter der T ü r hat Konsequenzen ” , sagte ich.
Er wurde rot: “ Ich wei ß nicht was Sie
meinen. ” Das Verhalten
und sogar das Aussehen von dem Typ erinnerte mich an Rotb ä ckchen. Er
murmelte wie gef ä hrlich eine falsche Tropfgeschwindigkeit sei und ging.
Erst gegen
Morgen schlief ich ein, wurde aber bald wieder geweckt. Eine Gruppe von
Personen in wei ß en Kitteln, darunter mehrere Frauen, marschierte in die Zelle und stellte
sich um mein Bett herum auf. Der Chefarzt fragte nach meinem Befinden und warf
mit medizinischen Begriffen um sich. Er war der Ansicht, dass ich in ein
normales Krankenzimmer verlegt werden m ü sse, da ich in dieser ü berhitzten, schlecht bel ü fteten Arrestzelle in meinem eigenen Mief umkommen w ü rde.
Direkt nach der
Visite kamen die beiden Gefangenen vom Vortag. Nachdem mir ein Pfleger Handschellen
angelegt hatte, hoben sie mich auf eine Trage, schnallten mich fest, brachten
mich aus dem Geb ä ude zu einem anderen, das etwa 100 Meter entfernt war, trugen mich dort die
Treppen hinauf zum zweiten Stock in einen Raum am Ende des Flurs und legten mich
auf ein weiches Bett.
Ich war
beeindruck. Der Raum war hell und sauber und hatte kein zus ä tzliches Gitter
vor der T ü r. Abgesehen von
den vergitterten Fenstern, war es ein normales Krankenzimmer.
Nach einer Weile
kam eine Schwester mit zwei kleinen Gl ä sern auf einem Tablett. Das war meine Medizin. Das eine Glas
enthielt Granulat, das anderen eine Fl ü ssigkeit. Das Granulat schmeckte so scheu ß lich, dass ich
es kaum runterschlucken konnte. Doch die Schwester blieb, um sicherzugehen,
dass ich alles einnahm. Sie war freundlich. Ich fand sie auch h ü bsch, vielleicht
auch nur deshalb, weil ich seit langem keine Frau mehr gesehen hatte.
Einige
Hausarbeiter standen in der T ü r und beobachteten uns. Ihr Zimmer lag direkt nebenan. Der Ton ihres Radios
drang bis zu mir. Es war ein gro ß artiges Gef ü hl, nach so langer Zeit wieder Musik zu h ö ren. Die
Tatsache, dass ich nicht mehr isoliert war, nutzte mir vorl ä ufig aber wenig,
denn ich war zu schwach um mich unterhalten zu k ö nnen.
In der Nacht
konnte ich wieder nicht schlafen. Doch ich war zufrieden mit meiner neuen
Umgebung. Ich dachte an meine Eltern und den bevorstehenden Besuch. Sollte ich
l ä nger als drei
Wochen im Krankenhaus bleiben, w ü rde er verschoben werden m ü ssen.
Am Morgen kam
eine andere Personengruppe in mein Zimmer. Als der Chefarzt seinen Kollegen
genug erkl ä rt hatte,
schickte er sie vor, nahm sich einen Stuhl und setzte sich neben mein Bett. “ Wir k ö nnen offen
reden. Was haben Sie gegessen? ” , sagte er in vertraulichem Ton.
Ich st ü tzte mich mit
den Ellbogen ab und richtete mich m ü hevoll auf: “ Was meinen Sie? ”
“ H ö ren Sie. Sie
haben eine akute Darmentz ü ndung. So was kommt nicht von ungef ä hr ” , sagte er immer noch freundlich. Dabei schaute er mich an, als ob ich ein
kleines Kind w ä re, dem man nur
gut zureden muss um die Wahrheit rauszukriegen.
“ Ich hab keine
Ahnung wovon Sie reden. K ö nnten Sie sich deutlicher ausdr ü cken? ” , sagte ich.
“ Gut, dann eben
Klartext. ” Der freundliche
Ton war aus seiner Stimme gewichen. “ Mir wurde gesagt, dass Sie Zahnpasta gegessen haben um
Selbstmord zu begehen ... Ich meine, das ist
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