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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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nachdrücklicher vorgeknöpft. Nachdem er lange genug energisch auf mich eingedrungen war, hatte ich ihm schließlich erzählt, wo ich am Vorabend so lange geblieben war. Meine anfänglichen Versuche, ihm eine andere Geschichte aufzutischen, waren kläglich gescheitert. Mein Vater war ein sehr kluger und auch ein sehr bestimmter Mann. Er durchschaute es sofort, wenn ich versuchte, ihn anzulügen. Dass ich ihn jedoch an diesem Abend gesehen hatte, zusammen mit diesen Zirkusleuten, das behielt ich wohlweißlich für mich. Und auch der Kuss, den Sarina mir zum Abschied gegeben hatte, blieb mein Geheimnis.
    „Hatte ich dich nicht eindringlich gewarnt, Liam!“
    Fest und durchdringend war sein Blick. Er packte mich bei den Schultern.
    „Hat euch irgendjemand zusammen gesehen?“
    Er schüttelte mich, als ich nicht gleich antwortete und wiederholte die Frage.
    „Nein... nein, ich glaube nicht...“
    „Du glaubst nicht!“
    „Nein, ich bin mir sicher. Niemand hat uns gesehen.“
    Er ließ von mir ab.
    „Dann hast du einfach mehr Glück als Verstand gehabt“, sagte er.
    Ich verstand sehr wohl was er meinte. Seit der Sache mit Robinson Crusoe konnte mein Status in der Gemeinschaft wohl am ehesten mit „Bewährung“ umschrieben werden. Ich konnte mir keinerlei Gerede leisten. Dennoch, soviel schien mir klar, hinter seiner Angst ich könne dabei ertappt werden, dass ich zu engen Kontakt mit den Fremden hielt, musste mehr stecken als nur mein Ruf bei den Leuten des Dorfes. Es musste irgendetwas mit seinem geheimen Zusammentreffen mit diesem Marten zu tun haben, da war ich mir plötzlich ganz sicher. Er wollte auf jeden Fall vermeiden, dass zwischen den Zirkusleuten und unserer Familie irgend ein Zusammenhang hergestellt werden konnte. Aber warum nur? Ich hütete mich jedoch davor, das anzusprechen. Statt dessen spielte ich den Zerknirschten. Ich schwor ihm, mich fortan von Sarina – und auch von allen anderen der Wanderleute – fernzuhalten; fest entschlossen diesen Schwur bereits am selben Tag noch zu brechen. Doch mein Vater kannte mich zu gut, um mir, alleine aufgrund ein paar reuiger Worte, zu trauen. Er selbst sorgte dafür, dass ich mein Versprechen, das ich ihm gegeben hatte, auch einhalten würde. Den ganzen Tag über ließ er mich nicht aus den Augen, und nach dem Abendbrot schloss er mich in mein Zimmer ein. Am nächsten Tag verfuhr er ebenso. So kam es, dass ich erst am dritten Tag nach dem Vorfall Gelegenheit fand, mich davon zu stehlen.
    Es war bereits später Nachmittag, als ich das Brachfeld erreichte. Still und verwaist lag es da. Der Zirkus war an diesem Morgen weiter gezogen. Deutlich war noch zu erkennen, wo er gestanden hatte. Ich fand die Stelle, wo Sammy, der Elefant, angepflockt gewesen war. Lange Zeit stand ich einfach nur so da und dachte an Sarina.

Das Maisfeld
     
    Der Sommer ging zur Neige. Erste Blätter begannen sich rot und gelb zu färben. Es war Erntezeit. Allerorts herrschte emsige Betriebsamkeit. Bald war Erntedankfest und kurz darauf würde die Schule wieder beginnen. Es war mein letztes Jahr. Danach galt ich als Erwachsener. Malcolm jedoch würde bereits in diesem Winter nicht mehr neben mir sitzen und mir mit seiner Gegenwart die öde Lernerei, sowie die nie enden wollenden Belehrungen Pater O’Malley’s, über die Reinheit der Unverderbten Wahrheit, erträglicher gestalten. Er war vor vier Wochen nach Ennis abgereist – zum nicht geringen Erstaunen Vieler im Dorf. Ich wusste nicht, ob ich ihn je wiedersehen würde. Zwar hatte er mir versichert, dass er, nach zwei Jahren im Ordinariat, zur weiteren Ausbildung einer Pfarrei zugeteilt werden würde – und dies wäre im allgemeinen die Heimatpfarrei –, doch sicher war das nicht.
    Mehrmals hatte ich ihn, im Laufe des Spätsommers, auf seinen Entschluss hin, anzusprechen versucht, doch hatte er sich darüber nicht eben sonderlich gesprächig gezeigt, wenn wir – allen Verboten zum Trotz – in unserer Residenz im alten Rosedalehaus saßen. Auch muss ich sagen, dass ich während dieser Zeit wohl viel zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt gewesen war. Meine Gedanken waren bei Sarina. So sehr ich mich auch bemühte, sie wollte mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Und Malcolm war der einzige mit dem ich reden konnte. Geduldig hatte er mir zugehört, wenngleich auch er wenig dazu beitragen konnte. Doch alleine sein Interesse und sein Verständnis, für das was mich so beschäftigte, halfen mir ein gutes Stück über

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